Sonden-Ernährung Seite 2
6. Der Umgang mit gelegten Sonden.
6.1. Verabreichung der Sondenkost.
Selbstgemachte Kost kann nur selten die Ansprüche an Hygiene und Vollbilanzierung erreichen und ist heute nicht mehr zeitgemäß. Daher werden meist industriell gefertigte Substrate verwendet. Man unterscheidet hier in Pulvernahrung und bereits gebrauchsfertig in Flaschen oder Beutel abgepackte Sondennahrung.
Bei der Pulvernahrung ist die Vorbereitung etwas länger. Sie wird nach Vorschrift und unter strengen hygienischen Gesichtspunkten immer unmittelbar vor dem Verabreichen frisch zubereitet, da Substrate ein besonders guter Nährboden für Krankheitskeime sind. Das Wasser, in welches das Pulver mit einem Schneebesen klumpenfrei eingerührt wird, muss vorher abgekocht werden und darf nur handwarm verwendet werden. Vor der Zubereitung desinfiziert man sich natürlich die Hände und eigenmächtige Zusätze und Anreicherungen sind tabu. Nach diesen Schritten gibt man die fertige Nährlösung in einen speziellen Ernährungsbeutel.
Inhaltsverzeichnis
Die meisten industriell gefertigten Nährsubstrate werden in Flaschen geliefert.
Wann immer es möglich wird der Kranke, respektive Heimbewohner mit dem vertraut gemacht, was gerade mit ihm geschieht – so auch mit dem Verabreichung-Vorgang.
Ein – für das jeweilige Herstellersystem passendes – steriles Schlauchsystem wird an die Flasche oder den Ernährungsbeutel angeschlossen und mit Nährlösung gefüllt. Im Schlauch sollten sich keine Luftreste mehr befinden. Nun kann das Schlauchsystem an die Sonde angeschlossen werden – natürlich ohne Kontamination und unter Ausschluss von Luft.
Jetzt wird bei Schwerkraftsystemen die Einlaufgeschwindigkeit laut Verordnung einreguliert und während des Einlaufens des Öfteren kontrolliert.
Auch ist darauf zu achten, dass sich keine festen Nahrungsbestandteile aus der Lösung absetzen und so das System verstopfen können.
Bei der Gabe mittels Ernährungspumpe wird ggf. die Menge eingestellt. Und das Gerät auf einwandfreie Funktion geprüft. Auch ist hier das richtige Einlegen des Schlauchsystems in die Pumpe wichtig.
Bei älteren Pumpen ohne Alarmfunktion kann am Ende des Durchlaufes Luft in den Verdauungstrakt gepumpt werden, was natürlich die Gefahr der Aspiration heraufsetzt. Eine unbemerkte Lageveränderung der Sonde kann beim kontinuierlichen Weiterpumpen ebenfalls zur Aspiration führen. Eine Überwachung ist also dringend notwendig und muss engmaschig und detailliert durchgeführt werden.
Das Bedienen der Pumpen darf überhaupt nur den Pflegenden obliegen, die auch in die Handhabung eingewiesen wurden.
Bei Magensonden kann Nährlösung unter Umständen auch mit einem Spritzen-Zylinder (bis 100 ml) als Trichter verabreicht werden. Dazu wird die Sonde abgeklemmt, da keine Luft in den Magen gelangen sollte. Der Spritzen-Zylinder wird aufgesetzt und mit Nährlösung gefüllt, die Klemme an der Sonde wird entfernt und die Nahrung lässt man nun ohne Druck einlaufen. Der Zylinder muss nachgefüllt werden, bevor er leergelaufen ist. Auch beim abschließenden Durchspülen mit Tee darf keine Luft in den Magen gelangen – die Sonde wird abgeklemmt, bevor der ganze Tee abgelaufen ist. Bei zu schnellem Einlaufen kann es zu Unverträglichkeiten und Aspiration kommen. Auch die Gefahr der Kontamination z. B. durch die Spritze ist hoch. Bei zu hohem Druck kann es sogar zu einer Läsion im Darm kommen.
6.2. Verabreichung von Medikamenten per Sonde.
Ernährungssonden werden häufig auch zur Verabreichung von Medikamenten verwendet. Trotz dieser häufigen Praxis gibt es eigentlich keine Studien zu den möglichen Wechselwirkungen zwischen Nährstoffen und Medikamenten. Solche Wechselwirkungen sind schwer vorher zu beurteilen, da grundsätzlich eine fast unbegrenzte Anzahl von denkbaren Kombinationsmöglichkeiten zwischen verschiedenen enteralen Substanzen und Arzneimitteln besteht.
Um Beeinträchtigungen der Wirkung zu vermeiden, sollte die Lage der Sonde und der Wirkung-respektive der Resorption Ort des Medikaments bekannt sein. So ist z. B. die duodenale Applikation von Medikamenten nicht sinnvoll, wenn diese durch die Magensäure erst verfügbar werden oder sogar direkt im Magen wirken sollen.
Viele Medikamente bewirken außerdem eine Ausflockung (ähnlich wie geronnene Milch) der Sondennahrung, was eine Verstopfung der Sonde verursachen kann.
Deshalb sollte darauf geachtet werden, dass es zwischen Sondennahrung und Medikamenten wenig „Berührungspunkte“ innerhalb der Sonde gibt. Die gleichzeitige Applikation von Arznei und Nahrung sollte vermieden werden. Wichtig ist auch bei getrennter Applikation, dass die Sonde vor und nach der Medikamentengabe gut durchgespült wir, um Nahrung respektive Medikamentenreste nicht zu vermischen.
Viele Medikamente gibt es außer in Tabletten auch in flüssiger Form oder in Zubereitungen für i.v. – Applikation. Nach ärztlicher und/oder pharmazeutischer Anweisung ist hier ein Wechsel von festen auf flüssige Darreichungsformen möglich. Unter Umständen muss in diesem Fall die Dosierung überprüft werden.
Ist jedoch keine andere Darreichungsform erhältlich oder anwendbar, so müssen die Medikamente in fester Form (Tabletten, Kapseln, etc.) vor der Applikation hervorragend zerkleinert werden (Mörser!) und mit Wasser gründlich aufgeschwemmt werden. Auch bei dieser Methode sollte zuerst der Rat eines Pharmazeuten eingeholt werden, inwieweit das Zerkleinern Einfluss auf die Freisetzung und Wirkung des Medikaments nimmt. Das Zermörsern von Retardtabletten oder Tabletten mit spezieller Glasur, welche die Wirkstoffe erst an einem bestimmten Ort freigeben soll, ist natürlich absoluter Blödsinn.
6.3. Pflege, Kontrolle und mögliche Komplikationen
Bei transnasalen Sonden wichtig ist die Kontrolle auf richtige Lage. Bei einer Magensonde sollte die Sondenspitze in der Magengrube liegen. Kontrolliert wird nach dem Legen und vor jeder Verabreichung von Nahrungslösung. Folgende Möglichkeiten gibt es:
- Aspiration / pH – Kontrolle
Mit einer Spritze wird etwas Magensaft aspiriert und mit Indikatorpapier kontrolliert. Ein saurer pH-Wert (<4) bestätigt die Sondenlage im Magen, ein alkalischer Wert (>7) zeigt eine duodenale Platzierung an.
- Auskultation / Luft Insufflation
Mit einer Spritze werden ca. 10 ml Luft unter Druck eingeblasen, ein Stethoskop wird unter der Sternum spitze angelegt. Nun müsste ein Einstromgeräusch hörbar sein.
- Inspektion
Mund und Rachen werden besichtigt, ob sich die Sonde nicht aufgerollt hat; Spatel und Taschenlampe werden eventuell benötigt.
- Röntgen
Die meisten Sonden Materialien sind röntgenpositiv oder haben einen röntgendichten Streifen. Somit lässt sich ihre Lage gut erkennen.
Außerdem wichtig bei transnasalen Sonden ist die Pflege der Austrittsstelle. Die Nasenlöcher sind täglich zu reinigen, um den Kranken das Atmen zu erleichtern. Mit Glycerin – und Bepanthensalben kann man die Nasenschleimhäute feucht halten. Das Fixieren der Sonde sollte nicht immer an der gleichen Stelle erfolgen, da sich sonst eine Heftpflaster-Allergie oder eine Hautschädigung ausbilden kann.
Wichtig bei transkutanen Sonden ist die Pflege der Austrittsstelle. Das umfasst die zu Beginn tägliche Inspektion und einen sterilen Verbandswechsel. Ist die Wunde abgeheilt, genügt ein Verbandswechsel aller 2 – 3 Tage.
Grundsätzlich bei allen Sonden müssen die Kranken über Missempfinden oder Übelkeit befragt werden. Um Verhärtungen und Blähungen zu erkennen, wird der Abdomen abgetastet. Die Darmentleerung muss ständig überwacht werden und zur Überprüfung des funktionierenden Abflusses in den Dünndarm wird Mageninhalt aspiriert und kontrolliert.
Die Sonde wird regelmäßig mit Kamille, Pfefferminz – oder Fencheltee oder mit stillem Wasser gespült. Und zwar erfolgt dies vor und nach jeder Nahrungszufuhr, vor und nach jeder Medikamentengabe, wenn Mageninhalt in die Sonde aspiriert ist. Außerdem täglich, wenn die Sondennahrung für mehrere Tage unterbrochen wurde. Fruchtsäfte oder Früchtetees sollte keine Verwendung finden, weil sie durch Gerinnen der Nahrung zum Verstopfen der Sonde führen können.
Das Überleitsystem muss täglich gewechselt werden und alle Arbeitsschritte am Ernährungssystem müssen unter hygienisch einwandfreien Gesichtspunkten erfolgen. Dazu gehört auch eine hygienische Händedesinfektion.
Die Mundpflege hat großen Stellenwert, da die Kautätigkeit und der Speichelfluss während der Zeit der Sonden-Ernährung stark eingeschränkt sind. Infektionen wie Soor und Parotitis können sich im Mund schnell ausbreiten.
Wenn irgend möglich sollte der Schluckreflex geübt respektive erhalten und der Speichelfluss angeregt werden. Dazu können kleinere Mengen Flüssigkeit (Fruchtsäfte u. ä.) oral verabreicht werden. Möglich sind vielleicht auch Joghurt und Pudding oder das Kauen von Fruchtgummis, Dörrobst und trockener Brotrinde (nicht bei Schluckstörungen!).
Auf jeden Fall muss die Mundpflege täglich mehrmals und gewissenhaft ausgeführt werden.
Sonden-Ernährung kann auch vielfältige Komplikationen haben.
Hierzu zählen:
Regurgitation und Aspiration durch
- Zurücklaufen der Sondenkost in flacher Rückenlage
- Überlastung des Magens durch zu große Mengen oder zu schneller Verabreichung
- Verrutschen der Sonde
Verstopfung der Sonde durch
- Mangelhaftes Spülen
- Verabreichungen von Flüssigkeit mit Fruchtsäure
Stoffwechselstörungen durch
- Dem Stoffwechsel unangepasste Kost
Obstipation durch
- Ballaststofffreie Kost
- Flüssigkeitsmangel
Diarrhöen durch
- Zu schnellen Kostaufbau bei reduzierter Verdauungsleistung
- Verabreichung von zu kalter Kost
- Zu schnelle Verabreichung
- Kontamination der Nahrung oder der Sonde
- Unverträglichkeiten der Nahrung / Intoleranz gegen bestimmte Bestandteile
- Geringe Osmolarität
Infektionen / Reizungen im Bereich der Durchtrittsstelle (PEG) durch
- Kontamination
- Halteplatte
Hautreizungen und Druckstellen der Nase (transnasale Sonden) durch
- Falsche Sonden Wahl
- Schlechte / ungünstige Fixation
- Seltener Wechsel der Fixation-stelle
- Nicht ausreichende Nasenpflege
Pneumonie infolge von
- Zu flacher Atmung (Nasogastrale Sonde)
- Aspiration
Affektionen im Mund durch
- Fehlende orale Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme
- Verringerter Speichelsekretion
Bei transnasalen Sonden kann ein Missempfinden im Nasen – Rachenraum entstehen – meist durch Austrocknung der Schleimhäute. Ein Kaugummi kann hier (wenn möglich) Abhilfe schaffen.
6.4. Dokumentation
Eine sorgfältige Handhabung und regelmäßige Überwachung sind die effektivste Maßnahme, um Komplikationen zu vermeiden. Die Dokumentation aller Ernährungsdaten und Beobachtungen während der Ernährung ist deshalb sinnvoller Bestandteil in der Pflege dieser Patienten.
Zunächst sollten alle Daten dokumentiert werden, die die täglich zugeführten Nährstoffe und Medikamente betreffen. Dazu gehört Art und Menge (ml respektive kcal/kJ) der betreffenden Sondennahrung, Zufuhr, Geschwindigkeit, Flüssigkeitsmenge, evtl. zusätzlich aufgenommene Speisen sowie Applikationsformen und Dosierung von Medikamenten.
Klinische Beobachtungen sind ebenfalls zu protokollieren. Hier finden sich oft wichtige Hinweise auf Komplikationen. So ist der Bewusstseinszustand ausschlaggebend für eine eventuell erhöhte Aufmerksamkeit bezüglich Aspiration.
Gemeinsam mit den Ernährungsdaten ermöglichen die Beobachtungen aber auch eine Einschätzung über den Erfolg der Ernährungstherapie (z. B. Gewichtsverlauf). Alle Beobachtungen können Auswirkungen auf die gesamte Pflege und Therapie haben.
Die Flüssigkeitsausscheidung und die tägl. Gewichtszunahme (max. 250g/Tag!) können Anhaltspunkte für eventuell auftretende Ödeme geben, die ebenfalls sofort dokumentiert werden müssen.
Haut (an der PEG-Austrittsstelle) und Schleimhäute (Nasen-Rachenraum bei transnasalen Sonden) werden auf Reizungen und Entzündungen beobachtet.
Der Stuhl (Obstipation/Diarrhö) kann hinsichtlich einer mangelnden Ballaststoff- oder Wasserzufuhr verändert sein und sollte daher auch dokumentiert werden.
Eine Gewichtskontrolle sollte 2 x wöchentlich erfolgen. Laborparameter wären wünschenswert.
7. Entfernen von Magensonden.
Das Entfernen einer Sonde geschieht nur nach ärztlicher Anordnung und geschieht folgendermaßen:
- Patienten informieren
- Handschuhe anziehen
- Die Befestigung lösen (evtl. mit Benzin)
- Sonde mit etwas Wasser spülen und abklemmen (Dadurch verliert die Sonde keinen Magensaft beim herausziehen)
- Bewohner tief atmen lassen und die Sonde zügig aber vorsichtig unter leichter Drehbewegung herausziehen und um die Hand wickeln
- Handschuh über die aufgewickelte Sonde stülpen und sachgemäß entsorgen
- Nase und Mund gründlich reinigen und pflegen
- Bei Sonden wechsel anderes Nasenloch verwenden
Quellenverzeichnis:
- Pflege“ Juchli
- Pflegeleitfaden Altenpflege“ Sittler/Kruft
- Die Pflege des alten Menschen“ M. Seel
- Altenpflege in Ausbildung + Praxis“ Köther/Gnamm
- Praxis der enteralen Ernährung“ Fa. Fresenius
Weitere Quellen zur Sondenernährung
Sondennahrung
Enterale Ernährung: Alles über die Nährstoffzufuhr per Sonde
Sondenernährung