Sondenernährung
C&P by Marko H. und Fibula
0. Vorbemerkung
Wenn ein Mensch aus den unterschiedlichsten Gründen nicht in der Lage oder nicht Willens ist, seine benötigte Nahrung über den Mund aufzunehmen – zum Beispiel bei massiver Störung des Schluckreflexes, Stenosen, Verwirrtheit-zustände, Bewusstseinsstörungen. – ist eine künstliche Ernährung angezeigt. Das heißt, es müssen neue Zufuhr Wege für die Nährstoffe in den Organismus geschaffen werden.
Dafür gibt es zwei Möglichkeiten:
Die Erste ist der parenterale Zugang, also die Nährstoffzufuhr mittels einer Infusion über einen Venenkatheter.
Diese Lösung ist aber eher für kürzere Zeiträume der künstlichen Ernährung geeignet, da sie stark von der normalen Ernährung abweicht.
Daher gibt es eine zweite Möglichkeit, den enteralen Zugang. Darunter versteht man das Zuführen von Nährstofflösungen über eine Nasen-, eine Magen- oder eine Dünndarmsonde. Im Allgemeinen fasst man diese Methoden unter dem Begriff Sonden-Ernährung zusammen.
Darüber soll es im Folgenden gehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Sonden arten und allgemeines.
Sonden unterscheidet man nach Material, Stärke, Länge und Einführungstechnik.
Je nach Einführungstechnik unterscheidet man unter transnasalen und perkutanen Sonden.
Transnasale Sonden werden bevorzugt eingesetzt, wenn die Ernährung nur über einen relativ kurzen Zeitraum durchgeführt werden muss oder wenn die Dauer der künstlichen Ernährung noch unklar ist, oder wenn eine Entscheidung darüber hinaus aussteht. Je nach Lage erfolgt noch mal eine Einteilung in Magensonden, Duodenal und Jejunal Sonden.
Perkutane Sonden haben in der Regel eine längere Verweildauer. Sie sind dann nützlich, wenn der Patient länger als 6 Wochen bis zu mehreren Jahren künstlich ernährt werden muss. Außerdem ist hier eine Mobilisierung des Patienten einfacher, da die Sonde verdeckt ist.
Der Lage nachgibt es hier gastrale, gastral – duodenale und jejunale Sonden.
Weiterhin werden Sonden nach dem Material unterschieden, aus dem sie bestehen.
Sie sind in drei verschiedenen Kunststoffausführungen erhältlich. Die Materialien sind: PVC(Polyvinylchlorid), Polyurethan und Silikonkautschuk. Alle drei Varianten haben spezifische Vor- und Nachteile.
PVC-Sonden sollten möglich nicht mehr eingesetzt werden, da sie chemische Weichmacher enthalten, die sich rasch aus dem Plastik verflüchtigen und somit die Sonde hart und spröde machen. Schmerzhafte Gewebeverletzungen und Drucknekrosen können die Folgen sein. Solch eine zusätzliche Belastung sollte man dem Patienten ersparen.
Sonden aus Polyurethan haben eine hohe Kniestabilität. Das ermöglicht eine geringe Außenwandstärke der Sonde bei genügend großem Innendurchmesser. Zudem besitzt das Material eine sehr glatte Oberfläche und dadurch kann die Nahrung besser fließen.
Sonden aus Silikonkautschuk sind weich und recht instabil. Für ein leichteres Legen ist daher ein Mandrin in der Sonde vormontiert.
Die entscheidenden Maße bei Sonden sind die Länge in Millimeter und der Durchmesser (Lumen), der in Charriëre (Abkürzung = 1 Ch. = 0,33 mm) gemessen wird. Je nach Hersteller werden Außen- und Innenlumen angegeben.
2. Applikationsmöglichkeiten für Ernährungssonden.
2.1. Zugänge für Ernährungssonden.
Für Ernährungssonden kommen im Wesentlichen drei Zugänge infrage, für deren Wahl der Arzt Grund und Dauer der künstlichen Ernährung berücksichtigen muss.
Die Möglichkeiten sind folgende:
(a) Nasogastraler Zugang (Transnasale Sonde) – die Sonde wird durch die Nase eingeführt
(b) Perkutane endoskopisch kontrollierte Gastrostomie (PEG) – die Sonde (auch als Katheter bezeichnet)
wird während einer Magenspiegelung in den Magen oder Dünndarm gelegt
© Feinnadeljejunostomie (FKJ) – mittels eines kleinen abdominalen Eingriffs wird die Sonde in den
Dünndarm eingeführt
2.2. Sonden Lage.
Die Sondenlage gibt an, welcher Stelle des Verdauungstraktes die Sonde endet und die Nahrungslösung eintrifft.
Die am meisten genutzte ist die gastrale Sondenlage, also die Magensonde. Diese gewährleistet die physiologische Zufuhr und Verdauung des Ernährungssubstrates. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Zufuhr per Schwerkraftsystem möglich ist.
Wenn nun aber die Magenentleerung gestört ist (z. B. durch eine Stenose am Magenausgang, neurologische Gründe oder medikamentös bedingt) oder eine erhöhte Aspirationsgefahr (z. B. bei Bewusstlosen) besteht, wird eine Sonde in den Dünndarm vorgeschoben.
Die duodenale Sonderlage ist auch zweckmäßig nach abdominal chirurgischen Eingriffen, da dann der Dünndarm eher seine Verdauungstätigkeit aufnimmt, als der Magen.
Die Zufuhr muss kontinuierlich geregelt, also über eine Pumpe erfolgen.
Bei einer Ernährung in dem tieferen Dünndarmabschnitt erfolgt diese mittels der jejunalen Sondenlage.
Sie wird häufig postoperativ verwendet oder wenn Resektionen und Stenosen im oberen Verdauungstrakt vorliegen. Auch hier erfolgt die Zufuhr der Nährlösung nur pumpen gesteuert als Dauertropf.
3. Vorbereitungen zum Legen von transnasalen Sonden.
3.1. Verantwortlichkeit
Für das Einführen einer transnasalen Sonde ist der Arzt zuständig. Übernimmt der Pflegende dennoch diese Aufgabe, benötigt er die ausdrückliche Anweisung des Arztes und muss die gesetzlichen Voraussetzungen beachten, die für die Übernahme ärztlicher Tätigkeiten gefordert werden. Die PEG gehört in den Aufgabenbereich des Arztes und darf nicht von Pflegepersonen gelegt werden.
3.2. Vorbereitung der Materialien.
Folgende Materialien werden bereitgelegt:
- abschwellende Nasentropfen
- Handschuhe
- Stethoskop (Auskultation der Luft bei Lagekontrolle)
- 20 ml Einmalspritze (Luft Insufflation)
- Dünn lumige Sonde ca. 12 Ch. (möglich aus Silikonkautschuk)
- (vorheriges lagern im Kühlschrank erleichtert das Einführen der Sonde)
- Gleitmittel
- Alkohol getränkte Tupfer zum Entfetten der Haut im Bereich der Befestigung
- Pflaster zum Fixieren der Sonde und Schere
- lokal anästhesierendes Gel oder Spray
- Maßband, Stift
- Spritze zum Aspirieren von Magensaft
- Indikator / pH – Papier
- Klemme zum Abklemmen der Sonde
- Holzspatel und Taschenlampe (zur Inspektion der Mundhöhle)
- Zellstoff und Nierenschale.
- Eventuell etwas Wasser oder Tee (zur Erleichterung des Schluckens)
Für die benötigte Sonden-Länge wird der Abstand von der Nase zum Ohrläppchen und dann bis zur Magengrube gemessen. Diese Länge markiert man an der Sonde.
Weiterhin wird die Sonde am ersten Drittel mit Gleitmittel eingerieben.
3.3. Vorbereitung und Lagerung des Heimbewohners.
Ist der Heimbewohner kognitiv aufnahmefähig, wird als Erstes ein aufklärendes Gespräch mit ihm geführt und um seine Mithilfe gebeten.
Die Einwilligung des Heimbewohners Voraussetzung für das Legen der Sonde. Auch Verwandte sollte man in Kenntnis setzen. Wurde die Sorge für die Gesundheit des Heimbewohners an einen Betreuer übertragen, ist natürlich mit diesem zu sprechen und sein Einverständnis zu erfragen.
Grundsätzlich sollte wegen der Aspirationsgefahr eine Ernährungssonde frühestens 6 Stunden nach der letzten Nahrungsaufnahme gelegt werden.
Der Heimbewohner wird über das Vorgehen und das Verhalten bei eventuellen Schwierigkeiten informiert.
Natürlich sollten keine Zuschauer Gelegenheit zur Störung bekommen.
Wenn möglich, sollte der Heimbewohner noch einmal seine Nase putzen. Eine eventuell vorhandene Zahnprothese muss entfernt werden und die Mundhöhle muss gereinigt werden. Um herauszufinden, welches Nasenloch am besten geeignet ist, lässt man den Bewohner abwechselnd durch ein Nasenloch atmen, gleichzeitig wird das andere zugehalten.
In die durch gängigere Seite erfolgt später das Legen und der Naseneingang wird mit einem lokal anästhesierenden Gel oder Spray betäubt. Die zweckmäßige Lagerung ist sitzend oder halbsitzend, sodass der Oberkörper in etwa einer Position von 45° liegt. Bewusstlose werden in die Seitenlage gebracht (um eine Aspiration zu verhindern). Rachen Anästhesie wird mittels des Sprays durchgeführt. In das vorhergesehene Nasenloch wird ein anästhesierendes Gel appliziert.
Eine gute Kooperation des Heimbewohners ist eine wichtige Voraussetzung für das Legen und deshalb ist eine ständige emotionale Unterstützung unentbehrlich.
3.4. Vorbereitung des Pflegepersonals.
Zweckmäßigerweise bekleidet man sich mit einer Schürze. Händedesinfektion und das Benutzen von Handschuhen sollte ebenfalls selbstverständlich sein.
Da eine ärztliche Anordnung vorliegen muss, empfiehlt es sich in die Dokumentation einzusehen. Die Pflegeperson sollte selbstverständlich die für die Sonden Legung erforderlichen Kenntnisse verfügen und diese auch in die Praxis umsetzen können.
4. Gefahren und Komplikationen beim Legen von Magensonden.
Nach dem Einführen der Sonde in die Nase können schon nach kurzem Weg (5-10 cm) Blockierungen auftreten.
Dann muss auf der anderen Nasenseite ein erneuter Versuch unternommen werden.
Ist der Kopf des Kranken nach hinten gebeugt, kann dadurch eine Blockade am Zungengrund entstehen.
Daher sollte der Kopf gestützt und nach vorn gebeugt werden.
Auch Vorerkrankungen können die Passage Wege verengen. Grundsätzlich darf niemals Gewalt angewendet werden.
Wenn die Sonde in den Rachenraum vorgeschoben wird, kann es zu einem starken Würgereiz beim Heimbewohner kommen. Durch 2–3-minütiges, leichtes Beklopfen der Schläfen-Gegend verschwindet der Brechreiz.
Beginnt der Heimbewohner stark zu Husten und / oder tritt eine Blauverfärbung des Gesichtes ein, ist die Sonde wahrscheinlich in die Luftröhre geraten. Auch auffallende Atemgeräusche zeigen dies an. Jetzt muss die Sonde schnell zurückgezogen werden.
Besonders beachten muss man, dass Bewusstlose keinen Hustenreflex haben und hier eine Deplatzierend der Sonde in den oberen Luftwegen erfolgen kann. Daher muss der Kranke besonders aufmerksam beobachtet werden.
Bei Sonden mit Mandrin als Führungshilfe und Öffnungen („Augen“) oberhalb der Olive muss die Prüfung auf korrekte Lage vor dem Herausziehen des Mandrins erfolgen. Wird der Mandrin nur ein kleines Stück herausgezogen, darf er nachher nicht wieder hineingeschoben werden. Er könnte sonst an einer seitlichen Öffnung der Olive austreten und die Magenwand verletzen.
Am häufigsten ist die falsche Platzierung der Sonde eine Komplikation. Daher sollte eigentlich das Legen immer einem Arzt überlassen werden.
Auf jeden Fall muss bei Unklarheiten oder Schwierigkeiten schnell Hilfe durch einen Arzt zur Verfügung stehen.
5. Sondennahrung
5.1. Anforderungen
Sondennahrung muss eine ganze Reihe von Forderungen erfüllen.
Die Zusammensetzung muss einer vollwertigen und gesunden Ernährung entsprechen und den Krankheitszustand berücksichtigen.
Die Sondennahrung muss gut verträglich sein. Eine zu hohe Konzentration kann zu Unverträglichkeiten wie Durchfall führen. Das entscheidende Maß dafür ist die Osmolarität. Sie beschreibt die Menge der gelösten Teilchen in einem Liter und wird in mosmol/l angegeben. Gut verträglich sind Substrate mit etwa 300 – 400 Mosmol/l.
Sondennahrung muss gut Bilanzzierbar sein, um eine ausgewogene Flüssigkeitszufuhr zu gewährleisten.
Individuelle Verträglichkeit der Kranken müssen bei der Auswahl der Sondennahrung berücksichtigt werden – es muss also z. B. laktosefreie, ballaststoffarme, respektive ballaststofffreie oder ballaststoffreiche Kost zur Auswahl stehen.
Man unterscheidet zudem hoch – von niedermolekularen Substraten. In der hochmolekularen Form liegen die Nährstoffe in weitgehend natürlicher Form vor. Die Moleküle sind also noch langreihig und noch nicht oder nur begrenzt aufgespalten. Sie wird dann verabreicht, wenn der Kranke noch über genügend Absorptionsfläche verfügt und die Sekretion von Enzymen, zudem ausreichend ist. In der niedermolekularen Form sind die Nährstoffe praktisch vorverdaut, also die Moleküle bereits aufgespalten.
Diese Kost wird vorwiegend bei jejunale liegenden Sonden verwendet und wenn die Resorption-Leistung des Verdauungstraktes stark eingeschränkt ist. Außerdem müssen Verunreinigungen, eventuell auch durch Krankheitserreger, nahezu ausgeschlossen sein. Das Fließverhalten darf nicht durch eventuelle Klümpchen Bildung und somit Verstopfung der Sonde beeinträchtigt werden. Sondennahrung sollte unter hygienischen Bedingungen zubereitet werden. Angebrochene Flaschen dürfen bis zu 24 Std. im Kühlschrank aufbewahrt werden.
5.2. Applikationsformen
Eine mögliche Anwendungsform ist etwa die portionsweise Gabe oder auch Bolusgabe genannt. Hierbei wird eine größere Anzahl von kleineren Portionen über den Tag verteilt; in kürzeren Zeitabschnitten verabreicht. Vorher jedoch muss ein langsamer Kostaufbau – die sogenannte Aufbauphase – erfolgen, da es sonst zu Unverträglichkeiten und Durchfall kommen kann.
Eine weitere Form ist die halb kontinuierliche Gabe. Etwa vier Portionen über den Tag verteilt a´ 500 ml werden in etwa 2–3 Stunden verabreicht. Das bringt Vorteile, weil die Verträglichkeit höher ist. Zudem ist es zeitsparender, hygienischer und einfacher.
Die dritte Form der Anwendung ist die kontinuierliche Gabe. Eine bestimmte Menge an Kost läuft hier langsam über den ganzen Tag verteilt ein. Angewendet wird diese Methode immer bei einer Sondenlage im Dünndarm und niedermolekularem Substrat und ist auch vorteilhaft bei Diabetikern.
Bei zu schneller Gabe besteht die Gefahr der Aspiration, besonders auch bei Bewusstlosen. Ernährungspumpen sorgen hier für eine genaue Dosierung.
Nebenbei erwähnt, ist Sondenkost auch als Trink – und Zusatznahrung für Heimbewohner ohne Ernährungssonde einsetzbar.
Alle Anwendungsformen sind aber Bestandteil der ärztlichen Verordnung.
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