Autor/in: Holger + Andrea

Altenpflege in der Türkei

In der Türkei waren seit Jahrhunderten die Familien für die Pflege alter Menschen zuständig. Dieses Modell zeigt jedoch deutliche Risse. Von den Arbeitsemigranten wurden aus der Welt neue Ideen und Vorstellungen für die Altenpflege mitgebracht.

Die Türkei wurde 1923 als westlich orientierter Staat mit islamischem Erbe gegründet, was immer noch Auswirkungen auf das gesellschaftliche und politische Leben und auf die internationalen Beziehungen des Landes hat. Seit Dezember 1999 ist die Türkei offizielles Bewerberland für die EU Mitgliedschaft der Europäischen Union.

Die Türkei umfasst eine Bevölkerung von 61 Millionen Menschen und ist bedingt durch ihre Geschichte und der geografischen Lage ein Vielvölkerstaat. Die Kurden stellen mit ca. 12 Millionen Menschen eine ethnische Minderheit in der Türkei dar.


Türkische Behörden errechneten, dass die Bevölkerung in den nächsten Jahren anwachsen wird. Laut aktuellen Prognosen werden in der Türkei im Jahre 2050 voraussichtlich 64 Millionen Menschen leben, davon werden ca. 15 Millionen (23,4 %) älter als 65 Jahre sein.

Durch die angestrebte EU Mitgliedschaft wird für die junge Bevölkerung eine bessere Zukunft erwartet, während für den alternden Bevölkerungsanteil erhebliche Probleme und Einbußen in der Lebensqualität vorhergesagt werden. Durch Wegsterben der Freunde und Angehörigen haben viele alte Menschen Angst vor dem Alleinsein und vor Alterskrankheiten z. B. Depressionen und Demenz. Da die soziale Absicherung besonders für die alten Menschen wichtig ist, steht die Türkei vor einem großen Problem, dass sie vorbeugend lösen möchte.

Die vorhandenen staatlichen Altenwohnheime in den Großstädten reichen nicht mehr aus. Zumal die Menschen hier nur medizinisch versorgt und von nicht ausgebildetem Personal betreut werden, sodass diese Pflege im Krankheitsfall nicht gewährleistet ist und diese Form eher der reinen Wohnform zugeordnet werden muss. Diese staatlichen Einrichtungen werden größtenteils vom Staat getragen, jedoch wird für Einzelzimmer eine geringe Gebühr erhoben. Neben den staatlichen Alteneinrichtungen gibt es private Einrichtungen, die kostenpflichtig sind. Die monatlichen Kosten liegen für Unterkunft, Verpflegung und durchschnittliche Pflegekosten bei ca. 490 Euro. Um in diesen Einrichtungen arbeiten zu können, müssen die Pflegekräfte nach dem Abitur eine zwei- oder vierjährige Ausbildung zur Krankenschwester absolviert haben. Die Menschen in den privaten Pflegeeinrichtungen sind je nach Bedarf 24Std. Mit den Pflegekräften zusammen.

Die Pflege in der Familie ist heute auch in der Türkei nicht mehr gesichert, da viele Frauen gezwungen sind, mitzuarbeiten und als Betreuerinnen der alten Familienangehörigen wegfallen. Die jungen Leute fühlen sich auch nicht mehr so in der Verantwortung für die Alten, wie es traditionsgemäß seit Jahrhunderten praktiziert wurde. Schon weit vor der Gründung der Türkischen Republik stellten Kinder und alte Menschen den Mittelpunkt in der Familie und der türkischen Gesellschaft dar. Aus der türkischen Tradition und Kultur heraus werden die Ahnen besonders geschützt und respektiert. Selbst nach dem Tod glaubte man daran, dass die Seele der Ahnen weiterhin mit der Familie lebt. Die alten Familienmitglieder hatten viel Einfluss und wurden wegen ihrer Lebenserfahrungen in besonderem Maße geschätzt.

Im 11. Jahrhundert wurden die ersten türkischen Stiftungen zum Schutze der alten Menschen von den Seldschuken in Sivas unter dem Namen Darülreha (Ruhestätte) gegründet. Die ersten öffentlichen Einrichtungen z. B. der rote türkische Halbmond wurden im Jahre (1868) gegründet. Das staatliche Altenheim Darülaceze in Istanbul wurde im Jahre 1895 gegründet. Diese Einrichtungen wurden mit dem Vorsatz, alten und bedürftigen Menschen zu helfen, religiös neutral eingerichtet.

Nach einem Stand vom Juni 2003 gibt es in der Türkei:

  • 77 staatliche Einrichtungen mit ca. 10 050 Plätzen
  • 25 Stiftungen mit ca. 2 050 Plätzen
  • 49 private Einrichtungen mit ca. 2 500 Plätzen

Zusammen ergibt das 151 Einrichtungen mit ca. 12 650 Plätzen, was bedeutet, dass in der Türkei für ca. 2 Millionen alte Menschen gerade mal ca. 14 500 Pflegeplätze vorhanden sind.

Deutsche Pflegekräfte mit dem Wunsch in der Türkei zu arbeiten, sollten sich beim türkischen Hochschulgremium YÖK in Ankara über die Möglichkeiten erkundigen. Dort werden auch die europäischen Zeugnisse geprüft und man erhält möglicherweise Anerkennungen. Grundvoraussetzung ist allerdings, dass die türkische Landessprache beherrscht wird. Attraktiv gestaltet sich der Mittelmeerraum mit dem Zentrum Antalya. Ca. 1 500 der insgesamt 14 500 Pflegeplätze befinden sich dort verteilt auf sechs staatliche Einrichtungen, zwei Stiftungen und zwei private Häuser. Es gibt auch Projekte, die die Ausbildung einer Pflegekraft nach europäischem Standard vorsieht, diese ist aber auf Unterstützung des europäischen Fonds angewiesen.

Seit dem 8. September 1999 ist in der Türkei das Gesetz zur Reform der sozialen Sicherheit in Kraft getreten. Es regelt Rentenalter und Anspruchsvoraussetzungen neu. In Ankara ist in den letzten Jahren ein Altenberatungszentrum eingerichtet worden, sodass die alten Menschen soziale, psychologische und pflegerische Unterstützung bekommen können.

Die medizinische Versorgung lässt in der Türkei sehr zu wünschen übrig, deshalb siedeln die älteren türkischen Migranten häufig nicht in die Türkei über. Nur wer die Möglichkeit hat, private Leistungen zu zahlen, ist gut versorgt. Nach dem Gesetz werden zwar viele Leistungen kostenlos gewährt, jedoch müssen die Rentner 10 % für Arzneimittel und zusätzlich für moderne Untersuchungsverfahren zuzahlen. In den öffentlichen Krankenhäusern stehen diese meist nicht zur Verfügung und wenn dann ist der Besuch mit langen Wartezeiten und Wegen verbunden.

Ausgezeichnete ärztliche Versorgung erhält man in privaten Krankenhäusern und Arztpraxen. Im Vergleich zu Deutschland ist die Versorgung hier günstiger, für den größten Teil der türkischen Bevölkerung jedoch nur schwer finanzierbar. Die türkische Sozialversicherung enthält keine Pflegeversicherung.

Die Rentenhöhe in der Türkei variiert sehr, sie ist, wie in Deutschland auch, abhängig von der Dauer und dem Umfang der Beitragszahlungen. (Privat liegt sie höher als die staatliche) die Rente wird regelmäßig an die Inflationsentwicklung angepasst, sie liegt jedoch bei der gegenwärtigen Preisentwicklung in der Regel deutlich unter dem Existenzminimum. Die Altersvoraussetzung für einen Rentenanspruch bei Frauen ist die Vollendung des 58. Lebensjahres, bei Männern die Vollendung des 60. Lebensjahres. Die Pflichtarbeitszeit beträgt für Frauen und Männer 25 Jahre.

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