Ein Heim vor der Schließung
Vorwort
Dass folgende Facharbeit zustande kommen konnte, verdanke ich dem Mut und der Offenheit der Betreiberin und Inhaberin des Seniorenheimes ***, Frau Irmgard ***. Sie scheute sich nicht davor, dass einer wenn auch kleinen Personengruppe, die nicht direkt in das Geschehen um das Seniorenheim *** involviert war, Vorgänge bekannt werden, die normalerweise kein Betreiber gerne bekannt gibt. Hierfür kann ich nur meine tief empfundene Dankbarkeit und Anerkennung aussprechen. Weiterhin möchte ich mich auch bei meiner betreuenden Lektorin, Frau F. von der katholischen Akademie *** bedanken, die mir viele Tipps und gute Anregungen gab.
Einleitung
Ein neu erbautes Altenheim in reizvoller ländlicher Umgebung, großzügige, lichtdurchflutete Bewohnerzimmer und Aufenthaltsräume, gut durchdachte Funktional räume. Ein liebevoll angelegter Garten, ein öffentliches Café, motiviertes Personal, zufriedene Bewohner, eine familiäre Atmosphäre, eine alterfahrene und engagierte Betreiberin des Hauses, ideale Voraussetzungen also für einen gut funktionierenden Betrieb.
Trotz dieser Positivliste wurde der Seniorenheim *** GmbH, am 26. 7. 1999 die Weiterführung der Einrichtung nach dem 31. 12. 1999 von der örtlichen Heimaufsicht untersagt.
Für mich war es zum einen wichtig herauszufinden, wie trotz idealer Voraussetzungen solche Konsequenzen eintreten konnten, zum anderen den Weg zu beschreiben, der – neben den eingelegten Rechtsmitteln – dem Haus zum Weiterbestehen verholfen hat.
1. Gründe der Schließungsandrohung Seite 4 – 5
2. Aktion und Reaktion von Behörden / Betreiber Seite 6 – 15
3. Ist-Analyse TÜV Südbayern, Eigenanalyse Seite 16 – 19
4. Maßnahmen zur Strukturveränderung / Qualitätssicherung Seite 20 – 27
5. Transparenz, der Weg zum Versorgungsvertrag Seite 28 – 29
6. Schlusswort Seite 30 – 32
7. Anhang 1 – 20
1. Gründe der Schließungsandrohung.
16. Juli 1999, 4.30 Uhr
Eine unangemeldete Qualitätsprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen, vertreten durch den MDK, der Heimaufsicht der Regierung von Oberbayern, sowie dem Veterinäramt der Stadt *** fand im Seniorenheim ***, *** statt. Die Prüfung erfolgte aufgrund einer anonymen Anzeige, die sowohl beim Medizinischen Dienst, wie auch bei der Heimaufsicht der Regierung von Oberbayern einging. Die örtliche Heimaufsicht war nicht anwesend.
Geprüft wurden Strukturqualität, Belegung, Personalsituation, Pflege, sowie vom dazu gezogenen Veterinäramt die vorgehaltenen Lebensmittel.
Ergebnis der Prüfung des medizinischen Dienstes/Auszug:
Personalsituation: „Die Personalsituation ist als undurchsichtig zu bezeichnen. Anhand von Monatsstundenzetteln und gleichzeitig vorgenommenem Abgleich mit den Arbeitsverträgen wurde das vorhandene Personal ermittelt. Dienstpläne des Monats Juni waren teilweise nicht mehr vorhanden, doppelt (und mit Bleistift) geführte Dienstpläne waren widersprüchlich/unübersichtlich geführt. Bei der jetzigen Begehung wurden insgesamt 127 Bewohner von ca. 36 bis 37 Pflegekräften versorgt. Unter Verwendung des (pflegeschlüsselabhängigen) Personalschlüssels des Verbandes der Bayrischen Bezirke ergibt sich ein Defizit von knapp 12 Pflegekräften ….., davon 6 Fachkräften. Erschwerend kommt hinzu, dass das Pflegepersonal umfangreiche Aufgaben im Rahmen der Hauswirtschaft erbringen muss.“
› Heimbelegung: „Lt. Vorliegender Vergütungsvereinbarung ….. werden in der Einrichtung 99 vollstationäre … Pflegeplätze vorgehalten. Zusätzlich existieren 10 Kurzzeitpflegeplätze und 10 teilstationäre Pflegeplätze. In einem vorgelegten Brief vom 13. 07. 99 an die ARGE (Anmerkung der Verfasserin Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände in Bayern) in Kulmbach werden 11 weitere…. Plätze angezeigt. Insgesamt ergibt sich ein deutlicher Überhang von Bewohnern….“
› Freiheitsentziehende Maßnahmen: „War die systematische Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen, auch gegen ausdrücklichen richterlichen Beschluss, respektive ohne juristische Absicherung und ohne Dokumentation festzustellen.“
› Pflege/Pflegeorganisation: „Aufgrund der beschriebenen personellen Unterbesetzung ist ….. keine langfristige Planung zur Sicherstellung der Bewohner-Versorgung zu erkennen. Am Prüfungstag befand sich im Nachtdienst keine examinierte Fachkraft ….. Anhand der eingesehenen Pflegedokumentation können Verlauf und Stand des Pflegeprozesses nicht nachvollzogen werden, Eintragungen erfolgen sporadisch ….. (die anwesende Fachkraft war eine Heilerziehungspflegerin, die von der örtlichen Heimaufsicht als Fachkraft ausgewiesen war).“
› Abgabe von Nahrungs- und Körperpflegemitteln mit überschrittenen MHD: „Von der systematischen Abgabe von Nahrungs- und Körperpflegemitteln mit überschrittenem Mindesthaltbarkeitsdatum muss ausgegangen werden ….. Auch Medikamente mit überschrittenem Verfallsdatum werden aufbewahrt, einzelne Medikamente waren nicht entsprechenden Bewohnern zugeordnet.“
Prüfungsergebnis der Heimaufsicht, Regierung von Oberbayern/Auszug:
„Das Landratsamt (Heimaufsicht und Gesundheitsamt) wurde von der Prüfung nicht in Kenntnis gesetzt, das Veterinäramt wurde ….. erst aufgrund der festgestellten Sachverhalte um 7. 30 Uhr ….. telefonisch informiert und um unmittelbare Überprüfung in eigener Zuständigkeit gebeten.“
„Aus heim rechtlicher Sicht ist als Ergebnis der MDK-Prüfung festzustellen, dass der Betrieb des Heimes gem. § 16 Abs. 1 Heimgesetz(HeimG) zu untersagen ist, da die Voraussetzungen für den Betrieb des Heimes gem. § 6 Nummern 1–4 HeimG nicht vorliegen.“
Die örtliche Heimaufsicht war das Kontrollorgan für private Altenheime im Landkreis. Sie wurde zur Prüfung nicht hinzugezogen. Wie sich später herausstellte, wurde der örtlichen Heimaufsicht in der anonymen Anzeige unterstellt, sie würde „mit unter einer Decke stecken“.
Hierdurch erklärt sich sicherlich auch der Handlungsdruck, mit dem die örtliche Heimaufsicht sich nun dem Problem stellen musste.
2. Aktion und Reaktion von Behörden / Betreiber.
26. Juli 1999 Bescheid des Landratsamtes *** Sozialhilfeverwaltung/Auszug:
„1. Der Seniorenheim *** GmbH wird untersagt, im Anwesen *** eine Langzeitpflegeeinrichtung sowie eine Kurzzeitpflegeeinrichtung zu betreiben.
2. Der Heimbetrieb ist bis spätestens 31. 12. 1999 einzustellen, sämtliche Bewohner sind bis dahin in geeignete ….. Pflege oder Kurzzeitpflegeeinrichtungen zu verbringen….
3. Bis zur endgültigen Schließung des Heimbetriebes wird Herr *** als kommissarischer Heimleiter bestellt und trifft insbesondere alle Entscheidungen auf organisatorischem, pflegerischem und personellem Gebiet.“
Der eingesetzte kommissarische Heimleiter übernahm sofort nach dem Bescheid die Verantwortung für den Heimbetrieb des Seniorenheimes ***. Als problematisch erwies sich rasch, dass der eingesetzte Heimleiter zwar im Krankenhausbetrieb gut beheimatet war, die stationäre Altenpflege jedoch andere Anforderungen an Ausbildung und Fachlichkeit stellt.
Normalerweise werden bei Mängeln in Altenheimen von den Behörden bestimmte Auflagen erteilt. Eine Heimschließung ist die schlimmste Maßnahme, welche eine Behörde verhängen kann. Vor dem Hintergrund des Vorwurfes „mit unter einer Decke stecken“ wird verständlich, welchem Druck die örtliche Heimaufsicht, wie auch der Landrat selbst ausgesetzt waren. Wie später verlautbarte wurde, hatte das Landratsamt vonseiten der Regierung die Anweisung zu restriktivster Vorgehensweise. Am 18. August übernahm die Rechtsanwaltskanzlei D., K. und D., München, die Vertretung von Frau R. Rechtsanwalt D. legte Widerspruch gegen die Untersagung des Betriebes bei der örtlichen Heimaufsicht *** ein. Brief der Rechtsanwaltskanzlei D., K. und D. an das Landratsamt *** vom 18. 08. 1999/Auszug
„Die Untersagung des Heimbetriebes unserer Mandantin ….. Insbesondere auch die Bestellung eines kommissarischen Heimleiters…. sind eindeutig rechtswidrig.
1.1. Überschreitung der „genehmigten“ Wohnplätze….
Das Landratsamt verkennt hier bereits die derzeit maßgebliche Rechtslage. Aufgrund § 7 des 2. Heimgesetz Änderungsgesetz vom 03.03.1997 ……. entfiel die zuvor bestehende Genehmigungspflicht für privat betriebene Heime. Seitdem genügt für die Aufnahme eines Heimbetriebes. Eine entsprechende Anzeige an die zuständige Stelle ….. Richtig ist, dass diese Umwandlung baurechtlich noch nicht genehmigt war. Dass eine solche Nutzungsänderung baurechtlich zu genehmigen ist, hat unsere Mandantin jedoch erst aufgrund eines entsprechenden Hinweises der örtlichen Heimaufsicht erfahren.“
Anmerkung des Verfassers: die Stellungnahme des Landratsamtes *** auf die Anzeige des Betreibers um eine Erweiterung der bestehenden Bewohnerzahlen (Brief vom 06. 07. 1999) erfolgte am 22. Juli 1999
„1,3 ordnungsgemäße Dokumentation …. Insgesamt scheinen sich die bei der Qualitätsprüfung am 16. 07. 1999 anwesenden Personen geweigert zu haben, die in der Einrichtung unserer Mandantin geführten Einsatzlisten nachzuvollziehen ….. Es wurde lediglich versucht, anhand der Stundenabrechnungen, die jeder Mitarbeiter am Ende des Monats vorlegt, eine Personalquote zu errechnen…. Dieser Versuch war letztlich bereits deshalb ungeeignet, weil zum Zeitpunkt der Begehung noch nicht alle Stundenlisten für den Monat Juni vorlagen. Da Mitarbeiter, die in den ersten zwei Juliwochen wegen Krankheit, Urlaub usw. nicht anwesend waren, diese Stundenlisten noch nicht vorgelegt haben.
1.4. Soweit in Einzelfällen tatsächlich Lebensmittel verwandt wurden, deren angegebenes Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen war, ist festzustellen, dass keines dieser Lebensmittel tatsächlich verdorben war.
Anmerkung des Verfassers: Siehe den Bericht des Veterinäramtes *** vom 7. 12. 1999
1.5. Unterbringungsähnliche Maßnahmen. Hierzu ist vorab festzustellen, dass bei allen geschlossen untergebrachten Heimbewohnern ein entsprechender Beschluss des Amtsgerichtes vorhanden war. Der zuständigen örtlichen Heimaufsicht ist im übrigen bekannt, dass sich die Zusammenarbeit mit dem Richter, der für die entsprechenden Unterbringungsmaßnahmen zuständig ist, für alle Heime im Landkreis sehr schwierig gestaltet. Für Frau*** wurde bereits am 08. 06. 1999 ein Antrag auf Bettgitter und Anbringen eines Bauchgurtes gestellt ….. bis heute gibt es aber keinen Beschluss über diesen Antrag.“
Anmerkung des Verfassers biss zum Auszug von Frau ….. am 25.10.99lag kein richterlicher Beschluss vor
„2.4 ….. Die Aufbewahrung von Medikamenten verstorbener Bewohner wurde in der durchgeführten Form gemäß Schreiben des medizinischen Dienstes vom 17. 12. 1998 … ……. ausdrücklich gestattet.
Gewährleistung einer angemessenen Betreuung der Bewohner, mangelnde Personalausstattung ….. Im Bescheid wird an keiner Stelle ein konkreter Anhaltspunkt für eine nicht angemessene Betreuung der Bewohner angegeben ….. Im gesamten Heimrecht befindet sich keine Pflicht, eine bestimmte Menge an Personal je Bewohner einzustellen. Die gesamten Angaben im Bescheid zur „Soll Personalausstattung“ sind somit absolut willkürlich. Die Pflicht zur Gewährleistung einer angemessenen Betreuung der Bewohner ist nicht abstrakt oder anhand eines fiktiven Personalstandes zu werten, sondern muss erfolgsbezogen sein. Es wurde aber von allen telefonisch benachrichtigten Ärzten (Anmerkung des Verfassers Hausärzten) bestätigt, dass keine entsprechenden Missstände erkannt werden können. Wir beantragen deshalb zusätzlich hilfsweise die Aussetzung des Sofortvollzuges der angeordneten Betriebsuntersagung und der Einsetzung der kommissarischen Heimleitung. Außerdem legen wir zur Sicherheit auch gegenüber dem Landratsamt als örtlicher Heimaufsichtsbehörde Widerspruch gegen den von der überörtlichen Heimaufsicht am 17. 7. 1999 mündlich angeordneten sofortigen Aufnahmestopp ein“
Die Vorkommnisse im Hause R., publiziert über alle lokalen, sowie über bundesweit agierende Medien, rief eine regelrechte Invasion von Interessenten auf den Plan; Beratungsfirmen, potenzielle Käufer, Betreibergesellschaften stellten sich vor und machten ihre Offerten. Die Medienvertreter, die im Haus ihre Beiträge drehten, verfügten über Ablichtungen des MDK-Berichtes vom 16. 07. 1999. Wie dieser Bericht an die Medien gelangte, entzieht sich bis heute unserer Kenntnis. Besonders pikant war die Tatsache, dass zu den aktuell gedrehten Beiträgen und Bewohner Interviews aus unserem Haus auch Beiträge unterlegt wurden, die nachweislich in anderen Häusern gedreht waren: Dekubiti, schwarze Fersen etc.
› Besprechungstermin am 26.08.1999 im Landratsamt ***
Aktennotiz der RA-Kanzlei D./Auszug:
„Herr Landrat ….. betonte, dass Informationen, die an die Presse, und das Radio gelangt waren, nicht aus seinem Hause stammen würden …..
…es sei u. a. Absicht der Heimaufsicht gewesen, durch die Einsetzung eines kommissarischen Heimleiters den Druck sowohl von der Heimaufsicht, wie auch von der Heimbetreiberin zu nehmen ….. Durch die Einsetzung eines kommissarischen Heimleiters sollte Bewohnern, Angehörigen und Mitarbeitern signalisiert werden, dass ein ordnungsgemäßer Heimbetrieb bis auf Weiteres gewährleistet werden kann.“ …….
„Von Herrn D. wurde daraufhin folgender Vorschlag unterbreitet:
Die Seniorenheim *** GmbH nimmt bis auf Weiteres keine weiteren Bewohner für vollstationäre oder Teilzeitpflege auf, bis aufgrund weiterer Abgänge eine Bewohnerzahl von 109 Bewohnern erreicht wird.
Die Seniorenheim *** GmbH stellt so schnell wie möglich einen eigenen Heimleiter ein.
Es wird eine Fachkraftquote von 50 % gewährleistet.“
› 26. Juli 1999 das Landratsamt *** stellt Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft *** gegen die Inhaberin und Betreiberin des Seniorenheimes ***, Frau R.
Ermittlungsverfahren gegen R. wegen Freiheitsberaubung /Auszug aus dem Beschluss
„Nach §§ 102, 105 Abs. 1, 162 Abs. 1 stopp wird gemäß der § 33 Abs. 4 StPO ohne vorherige Anhörung die Durchsuchung der Räume des Seniorenheimes *** GmbH, ***
Der Beschuldigten R …..
Nach folgenden Gegenständen:
1. verdorbene Lebensmittel
2. Personalunterlagen der Bewohner *** und ***
Sowie deren Beschlagnahme nach § 94,98 StPO angeordnet, sofern sie nicht freiwillig herausgegeben werden …….
Es ist zu vermuten, dass die Durchsuchung zum Auffinden der Gegenstände führen wird.“
Am 21.09.1999 fand eine Haussuchung im Seniorenheim ***, wie auch in der Privatwohnung von Frau ***, mit 30 ermittelnden Polizeibeamten der Kripo *** statt. Beschlagnahmt wurden u. a. Ordner mit den richterlichen Beschlüssen über geschlossene Unterbringung, respektive freiheitsentziehende Maßnahmen, Bewohnerakten, Abrechnungsnachweise. Es wurden alle im Haus befindlichen Pflegekräfte einzeln vernommen. Die Pflegekräfte empfanden die Situation als äußerst bedrohlich. Vor allem ausländische Mitarbeiter mit befristeter Arbeitserlaubnis waren zutiefst verunsichert und verängstigt.
Um baldmöglichst einen normalen Heimbetrieb gewährleisten zu können, wurde die Stelle eines Heimleiters/Geschäftsführers inseriert. Die Wahl fiel auf einen Diplom-Sozialpädagogen, der über eine Beratungsfirma ins Haus gekommen war und über die nötige Erfahrung im stationären Pflegebereich verfügte. Herr…. begann seine Tätigkeit am 1. 10. 1999, nahm am Besprechungstermin vom 27. 09. 1999 bereits Teil.
Besprechungstermin Landratsamt ***x 27. 09. 1999
Dem Landratsamt ***, sowie den anwesenden Vertretern von Bezirk und Pflegekassen wurden am 27. 09. 1999 Vorschläge unterbreitet, wie der Heimschließung in gütlicher Weise entgegengewirkt werden könne. Ein sogenannter „GmbH – Beirat“ aus drei bis sechs Personen aus verschiedenen Berufssparten sollten eingesetzt werden, um die Geschäftsführung zu beraten und in folgenden Punkten mitzuwirken. U. s. notarieller Entwurf wurde dem Landratsamt zugeleitet.
Notarieller Vertragsentwurf/Auszug:
„Die Geschäftsführer werden vom Beirat bestellt und abberufen.
Die Geschäftsführer dürfen folgende Geschäfte nur mit Einwilligung des Beirats vornehmen:
Die Einstellung von leitendem Personal, insbesondere Heimleiter/In, Pflegedienstleiter/In, Hauswirtschaftsleiter/In, Küchenleiter/In –sowie die Aufhebung und Kündigung der mit leitendem Personal geschlossenen Anstellungsverträge.
Der Beirat hat folgende Aufgaben und Befugnisse:
Er berät die Geschäftsführung
Er überwacht die Geschäftsführung in folgenden Bereichen: Belegung, Personalbestand …
Der Beirat ist nicht berechtigt, den Geschäftsführern Weisungen zu erteilen….“
› Verfahren vor dem Sozialgericht München
Vor dem Sozialgericht München, Richelstr. 11 wurde von der RA-Kanzlei D. ein Verfahren der Mandantin, Frau R. gegen die Pflegekassen der AOK Bayern angestrengt. Die Pflegekassen hatten angedroht, den Versorgungsvertrag mit der Pflegeeinrichtung zu kündigen.
› Schriftsatz vor dem Sozialgericht München/Auszug aus einem Schreiben der Pflegekassen:
„Außerordentliche Kündigung des Versorgungsvertrages für den Bereich der vollstationären Pflege und Kurzzeitpflege nach § 72 SGB XI für das Seniorenheim *** in ***.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Zur außerordentlichen Kündigung des Versorgungsvertrages nach § 74 Abs. 2 Satz 4 SGBXI zum 31. 12. 1999 wird das Einvernehmen des Bezirkes Oberbayern hiermit hergestellt.“
Die Aufkündigung des Versorgungsvertrages vonseiten der Pflegekassen ist das wirtschaftliche Aus für ein Pflegeheim, da die Pflegepauschbeträge für die Versicherten wegfallen und somit die Bewohner alle Kosten selbst tragen müssen.
Natürlich steht einem Altenheimbetreiber der Rechtsweg frei, doch ist mit einer langen Verfahrensdauer vor dem Sozialgericht zu rechnen und somit eine lange finanzielle Durststrecke zu überwinden. Bei einer Hausgröße von 120 Plätzen ist dies wirtschaftlich nicht mehr aufzufangen.
Laut Ansicht der RA-Kanzlei war der Bescheid der Heim Untersagung zum 31. 12. 99 nicht rechtmäßig. Es wurde ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht angestrengt, jedoch ausgesetzt, da man glaubte, sich gütlich einigen zu können.
Streitpunkt war der notarielle Entwurf für einen GmbH-Beirat. Da das Landratsamt sichergehen wollte, dass Frau R. keinerlei Einfluss mehr in ihren Betrieb nehmen kann, stellte die Bestellung des Beirats durch die Gesellschafterversammlung, also die Eigentümerin, eine offensichtlich unüberschreitbare Hürde dar.
› Brief der RA-Kanzlei an das Landratsamt ***/Auszug:
„Da sicherlich nicht gewollt ist, dass die Geschäftsführung den Beirat bestellt und abberuft, bleibt deshalb gesetzlich nur die Möglichkeit, diese Aufgabe der Gesellschafterversammlung zuzuweisen“. Da nunmehr lediglich nur noch zwei Monate bis zu der von Ihnen verfügten Betriebsuntersagung verbleiben, haben wir das Bayerische Verwaltungsgericht München nunmehr gebeten, über unseren Antrag zu entscheiden.
› Brief der RA Kanzlei D. an das Bayerische Verwaltungsgericht vom 09. 11 1999/Auszug:
Am 27. 09. 1999 fand im Landratsamt *** ein Gespräch statt, um die Möglichkeiten einer außergerichtlichen Einigung zu diskutieren. Dabei wurden sowohl vonseiten der ARGE (Anmerkung des Verfassers Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände in Bayern). Als auch vom Bezirk Oberbayern, vom Markt *** sowie vom Landratsamt *** die Forderung erhoben, dass sich Frau R. aus allen Positionen zurückziehen müsse und dass eine Einflussnahme ihrerseits auf den Heimbetrieb künftig nicht mehr möglich sein sollte. …. Das Landratsamt *** sieht derzeit keine Möglichkeit, das Verfahren außergerichtlich beizulegen.
Erörterungstermin beim Bayerischen Verwaltungsgericht am 19. 11. 1999
Auszug aus dem Schreiben der RA Kanzlei D.:
Zu Beginn referierte die Berichterstatterin der Kammer den Sachverhalt. Bereits hierbei zeigte sich, dass die Kammer auch die Berichte, die vor dem ominösen 16. 07. 1999 lagen, gelesen hatte und es deshalb für die Kammer nicht recht nachvollziehbar war, weshalb am 16. 07. 1999 nunmehr angeblich untragbare Zustände vorgelegen haben sollen ….. Das Abschalten der Rufanlage sei sicherlich ein schwerwiegender Vorwurf. Allerdings sind die Vorgänge, weshalb es zum Abschalten kam, bisher ungeklärt. Wir haben in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die damalige Pflegedienstleiterin Frau V zwischenzeitlich Mitarbeiterin des medizinischen Dienstes in *** sei und bei anderen Pflegeeinrichtungen Qualitätsprüfungen durchführe. Dies löste beim Gericht als auch bei dem Vertreter der Regierung nur fassungsloses Kopfschütteln aus.
Das Landratsamt hatte. Zur Begründung angeführt, sie würden zuwenig Pflegepersonal vorhalten. Das Gericht gab auch diesbezüglich keine eindeutige Stellungnahme ab, vertrat jedoch die Auffassung, dass das Landratsamt weniger einschneidende Möglichkeiten gehabt hätte, um mehr Personal zu fordern ….. Die Vertreterin der Pflegekassen sicherte zu, dass diese bis spätestens Donnerstag, den 25. 11. 1999 verbindlich mitteilen werden, ob…. ein Versorgungsvertrag abgeschlossen wird.
Verfahren vor dem Verwaltungsgericht München
›Inhalte des gerichtlichen Vergleiches/Auszug:
„Frau R. verpflichtet sich, bis zum 31. 12. 2002 weder als Geschäftsführerin, Heimleiterin, Pflegedienstleiterin noch sonst in der Pflege tätig zu sein….
Mit Wirksamwerden des Vergleiches ist der Bescheid von 26. 07. 1999 aufgehoben….
Der Antragsstellerin wird eine Widerrufsfrist bis 26. 11. 1999 eingeräumt….“
Noch während des Vergleiches legte die örtliche Heimaufsicht den Bericht des MDK von der Begehung vom 18. 10. 1999 vor, der dem Seniorenheim *** bis dato nicht bekannt gemacht worden war. Das Gericht sah keine Veranlassung, auf den MDK Bericht einzugehen, da bei dem Vergleichstermin nur die Frage erörtert werden sollte, ob die Schließungsverfügung der Heimaufsicht rechtens gewesen sei.
Um möglichst bald wieder eine normale Atmosphäre mit den Aufsichtsorganen herzustellen, bat ich den MDK *** um ein Gespräch, um mich bei verschiedenen anstehenden Problemen, z. B. Dokumentation fachkundig beraten zu lassen.
Das Gespräch, welches ich am 14. 10. 1999 mit Dr. X vom MDK *** führte, befremdete mich stark. Dass die ehemalige Pflegedienstleiterin Frau V. mittlerweile beim MDK *** arbeitete, war ein Indiz dafür, dass man nicht von einer vorurteilsfreien Beurteilung auszugehen hatte. Wie durch Zufall im Seniorenheim gefundene handschriftliche Berichte von Frau V. aufzeigten, hatte die damalige Pflegedienstleitung akribisch über entdeckte Fehler Buch geführt. Allerdings gab es keine Anzeichen dafür, dass auch entsprechende Schritte zur Fehlerbeseitigung eingeleitet worden waren. Frau V. hatte bereits während ihrer Zeit im Seniorenheim *** mit dem MDK *** in Verbindung gestanden und sich dort „juristischen Rat“ erbeten. Die unangemeldete Qualitätskontrolle im Juli war auch auf ihr Bestreben zustande gekommen.
Aktennotiz vom Donnerstag, 14. Oktober, Besuch beim MDK ***, Gespräch mit Herrn Dr. ***
„Beim Besuch des MDK Namensschild von Frau *** entdeckt.“
Anmerkung des Verfassers Frau *** war die ehemalige PDL des Seniorenheimes ***
„Finanzielle Situation der Betreibergesellschaft Dr. *** äußerte, es wäre am besten, wenn die bisherige Betreibergesellschaft Konkurs anmelden würde und ein neuer Betreiber ohne die Schuldenlast aus der Immobilie dastünde, da das Haus ohne Fördermittel gebaut wurde.
Betrugsvorwürfe Dr. *** äußerte, im Bericht er verdeutlichte nicht, welcher Bericht gemeint sei habe jemand ihn, Dr. X zitiert, es würde betrügerisch bei der Abrechnung gehandelt; dieses habe er so nicht geäußert und wenn, so habe er dies anders gemeint. Es könne ja höchstenfalls bei der Einstufung manipuliert werden, und auch hier müsste eine betrügerische Absicht bestehen….“
Am 19. 10. 1999 hatte eine weitere unangemeldete Qualitätsprüfung durch den MDK *** stattgefunden. Obgleich die Auskünfte der Rechtsanwaltskanzlei D. besagten, dass die Vorhaltung von einem Personalschlüssel von 1 : 2,56 rechtswidrig sei, da der geltende Versorgungsvertrag mit 1 : 2,8 für alle Bereiche abgeschlossen worden war (inklusive der geschlossenen Abteilung), forderten die örtliche Heimaufsicht und der MDK den 2,56-er Schlüssel.
Der MDK Bericht sowie meine Besprechung mit Dr., veranlassten Heimleiter, Betreiberin und mich bei Dr.*** – MDK Bayern um einen Termin zu bitten. Wir wiesen darauf hin, dass bei den gegebenen Umständen – ehemalige Pflegedienstleiterin, welche Frau R. anzeigte, arbeitet nun selbst als Qualitätsprüferin beim MDK ***, Aktennotiz vom Gespräch mit Dr. *** – nicht mehr von einer unabhängigen, unvoreingenommenen Begehung die Rede sein könne. Wir trennten uns von Dr. *** mit der Zusage, dass künftige Begehungen von einem anderen Medizinischen Dienst durchgeführt werden würde.
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