Informationen über die Biografiearbeit in der Pflege
1. Vorstellung der Einrichtung.
Mein Berufspraktikum begann am 1. Oktober 2003 im …. in …. Die Bewohner dort sind größtenteils Pflegefälle der Pflegestufe II und III. Im Durchschnitt sind sie 85–90 Jahre alt. Viele sind nicht mehr in der Lage, sich verbal oder verständlich zu äußern.
In seinem Leitbild erhebt das Heim den Anspruch der „ganzheitlich orientierten, aktivierenden, selbstbestimmten Pflege nach der Pflegeprozessmethode, in der auch die partnerschaftliche und informative Angehörigenarbeit eine Rolle spielt.“ (Zitat aus dem Leitbild des Heims)
2. Begründung der Themenwahl.
Die Pflegeprozessmethode, deren gesetzliche Grundlage im § 80 SGB XI verankert ist, beinhaltet den Regelkreis mit den Bereichen: Informationssammlung, Problemdefinition mit Ressourcenklärung, Festlegung der Pflegeziele, Planung der Pflegemaßnahmen, Durchführung der Maßnahmen und Evaluation der Pflege.
Die Informationssammlung erscheint mir besonders wichtig, da auf ihr der ganze Pflegeprozess aufbaut. Leider wird in der Praxis die Biografie als wichtiger Teil der Informationssammlung oft nur oberflächlich behandelt, obwohl sie unbedingt zur Grundlage einer ganzheitlich orientierten, individuellen Betreuung gehört, in der physische, psychische und soziale Faktoren des Kunden berücksichtigt werden. Deshalb möchte ich diesem Thema meine Facharbeit widmen.
Lebensgeschichten fand ich auch auf privater Ebene fesselnd. In meiner Freizeit lese ich gerne Biografien oder Autobiografien. Einige Jahre beschäftigte ich mich mit Ahnenforschung. Oft habe ich bedauert, dass von den Vorfahren meistens nur Geburts- und Sterbedaten vorhanden waren und ich nichts mehr über ihr Leben und ihr Wesen erfahren konnte.
Ein weiterer Grund für mein Interesse an der Biografie ist das Wissen, dass, wenn ich einen alten Menschen nur in seinem momentanen Zustand sehe, ich ihm unmöglich gerecht werden kann. Poetischer ausgedrückt: „Ich kann die Falten, die das Leben schrieb, viel besser lesen, wenn ich die Biografie des älteren Menschen kenne und verstehe.“ Je mehr Informationen ich über die Lebensphasen eines Menschen habe, desto besser kann ich ihn und sein Verhalten verstehen. Was wäre der Mensch ohne seine Lebensgeschichte? Erst die Summe der vielfältigen Erfahrungen, seine Höhen und Tiefen, seine Stärken und Schwächen formen den Menschen und machen ihn zu einem Ganzen.
Die Hauptperson dieser Arbeit, Frau A., habe ich im Hospizverein kennengelernt. Sie ist im MSH angemeldet und möchte, wenn ihr Gesundheitszustand es erfordert, dorthin umziehen.
3. Aufbau der Facharbeit.
Um den Rahmen dieser Facharbeit nicht zu sprengen, will ich mich hier schwerpunktmäßig auf die Biografie-Erstellung beschränken und die Biografiearbeit synonym verwenden. Ihre Unterschiede finden sich in der Gliederung unter Punkt 4, Definitionen.
Nach den theoretischen Ausführungen (Kapitel 1 – 6), gehe ich zum praktischen Teil meiner Arbeit über. Im Anhang finden sich dazu die Biografie respektive Sozialanamnese von Frau A.(Anhang 1) und die knapper gehaltenen Biografie Blätter (Anhang 2). Ebenso lege ich die Pflegeanamnese bei (Anhang 3). Kurzfristig hat Frau A. entschieden, dass es ihr nicht angenehm ist, wenn ich die verwendeten Interviews Kassetten dieser Arbeit beilege. Ich bitte um Verständnis.
Es folgen in Punkt 7 die Vorgehensweise und die Ergebnisse meiner Arbeit: die Auswertung der Biografie (Impulse) von Frau A. Als Nächstes schildere ich meine Bemühungen, die Bedeutung der Biografiearbeit im Heim dem Team zu erläutern. (siehe dazu Anhang 4). Mit der Reflexion schließe ich meine Arbeit.
Bevor ich mit meinen Ausführungen beginne, sollen einige Fachbegriffe geklärt werden, da selbst die Fachliteratur manche Begriffe nicht einheitlich verwendet.
4. Definitionen
Begriff: Informationssammlung
Inhalt: Sammlung aller zugänglichen Informationen eines Kunden. Wird teilweise als Synonym für Pflegeanamnese verwendet.
Begriff: Sozialanamnese
Inhalt: Lebensgeschichte, Herkunftsfamilie, Interessen, Informationen Dritter, heutige Lebenssituation, finanzielle Situation früher und heute
Begriff: Pflegeanamnese
Inhalt: Erstgespräch, Pflegeanamnese (i. S. v. Informationssammlung), Beobachtungen, Wahrnehmungen, medizinische Informationen
Begriff: Biografie
Inhalt: Lebensbeschreibung, Darstellung der äußeren Geschichte wie der inneren geistigen und seelischen Entwicklung einer Person
Begriff: Biografie Erhebung
Inhalt: Schriftliche Aufzeichnung der Biografie
Begriff: Biografiearbeit
Inhalt: Ständig aktualisierte Biografie-Erhebung und Einbeziehung dieser Informationen in die Pflege
5. Bedeutung der Biografiearbeit.
Gespräche über die Lebensgeschichte des Betroffenen dienen der Kommunikation. Es kann Selbstbewusstsein gefördert werden durch die Rückbesinnung auf die Lebensfülle. Im Gespräch kann sich eine Vertrauensbasis entwickeln, die grundlegend für die Beziehungspflege ist. „Nicht aufgearbeitetes“ kann zutage treten und in die Biografiearbeit mit einbezogen werden.
Ganz besondere Bedeutung hat die Biografie in der Begleitung von Menschen mit einer Demenz. Die Validation nach Naomi Feil z. B., ist ein Individuum und Biografie bezogen arbeitender therapeutischer Ansatz. Auch das Realitäts- und Orientierungstraining (ROT) arbeitet mit „Aufgaben, die an die Lebensgeschichte anknüpfen“. (Z. S. 361 (Düring / Habermann). Hier wird der Patient darin unterstützt, seine langsam untergehende Identität länger zu bewahren.
Liliane Juchli (in: Pflege, S. 521) nennt weitere wichtige Gründe für die Biografiearbeit:
- Lebensgestaltung und sinnvolle Aktivierung beim gesunden alten Menschen
- Erhaltung einer höchstmöglichen Selbstkompetenz beim Pflegebedürftigen
- Vergangenheits- und Vergänglichkeitsbewältigung in der letzten Lebensphase.
Der Heimeinzug bedeutet für einen alten Menschen immer ein einschneidendes Erlebnis, wenn nicht gar eine Krise. Die Identität des Menschen gerät gefährlich ins Wanken: Der kranke Körper macht dem künftigen Bewohner zu schaffen, das soziale Umfeld muss aufgegeben werden, die eigene Nutzlosigkeit und die materielle Seite des Heimeinzugs belasten. Eigene Werte- und Moralvorstellungen können zu Konflikten mit den Mitbewohnern oder dem Personal führen. Deshalb ist das Erstgespräch besonders sensibel zu führen.
Ich plädiere sogar dafür, schon bei der Anmeldung – die ja oft lange Zeit vorher stattfindet – die Informationssammlung zu beginnen. Dann ist der künftige Bewohner noch nicht in dieser Ausnahmesituation und kann entspannter über sich, seine Bedürfnisse und seine Erwartungen reden. Oft ist er ja beim Heimeinzug wegen Multimorbidität gar nicht mehr in der Lage dazu. Wenn die Bedürfnisse und Gewohnheiten des künftigen Bewohners erkannt und dementsprechend gehandelt wird, wird er sich leichter einleben können.
In einem Pflegeheim gibt es nur Bewohner, die den Zenit ihrer Leistungsfähigkeit längst überschritten haben. Oft können wir nichts mehr von der Weisheit, die sie im Lauf eines langen Lebens angesammelt haben, erfahren. Das Mindeste, was wir tun können ist, dass wir uns für ihr gelebtes Leben interessieren.
Das Pflegepersonal kann aus der Biografie wichtige Informationen ziehen. Die gründliche Biografie erleichtert, die ganzheitlich orientierte und individuell gestaltete Pflegeplanung, die gezielte Intervention (= sich einschalten, z. B. zur Krisenprävention) und führt damit zum Wohlbefinden und zur Zufriedenheit des Bewohners.
Die Empathiefähigkeit, besonders in schwierigen Pflegesituationen, wird ermöglicht, da der Bewohner als Ganzes gesehen werden kann und sein Verhalten leichter erklärbar wird. Verbale Entgleisungen können, als Versuche des alten Menschen gewertet werden, unbewältigte Gefühle zu verarbeiten. Dies führt zu einer Arbeitserleichterung und zur Erhaltung der Mitarbeitermotivation. Fluktuation und Burn-out-Syndrom werden positiv beeinflusst. In Krisensituationen kann eine Rückschau auf frühere Bewältigungsmechanismen des Bewohners Möglichkeiten der derzeitigen Problembewältigung eröffnen.
Auf die meisten Angehörigen, denke ich, wird das Interesse an der Biografie-Erhebung auf Zustimmung stoßen, denn damit wird doch gezeigt, dass der Bewohner als Individuum gesehen wird und nicht als Objekt. Oft sind die Angehörigen mit Schuldgefühlen wegen der Heimeinweisung belastet. Sobald sie erkennen, dass alles Mögliche für das Wohlbefinden des Heimbewohners getan wird, und sie sogar in die Betreuung mit einbezogen werden können, werden sich die Schuldgefühle verringern. Gleichzeitig wird die individuelle Pflege transparent gemacht.
Schließlich können auch andere Berufsgruppen, sei es der Arzt, der Therapeut, der Pfarrer, der Hospizhelfer usw. hauptsächlich in Krisensituationen, aber auch um gegenseitiges Vertrauen zu erleben, von einer Biografie profitieren.
6. Modelle zur Biografiearbeit.
Um aufzuzeigen, wie mit einer Biografie gearbeitet werden kann, möchte ich nun kurz einige Modelle vorstellen, die sich mit der Biografiearbeit befassen. Ausgehend von der Bedürfnispyramide nach Maslow oder anderen Theoretikern wurden sie entwickelt.
• Professor Erwin Böhm hat sich intensiv mit diesem Thema befasst. Er legt seinen Schwerpunkt auf den „Zeitgeist“ und meint damit, dass sich der Pflegende auf die frühere Lebenswelt des alten Menschen einstellt und eingeht, damit er seine Welt wieder begreifen kann und „Lebenswertes“ noch einmal erlebt werden kann.
• Naomi Feil legt das Gewicht auf das Verstehen und Akzeptieren der Gefühle und Erinnerungen. Sie ist besonders im Umgang mit Alzheimerpatienten im Gespräch.
• Richard hat die Validation zur Integrativen Validation weiterentwickelt. Die Lebensgeschichte und persönliche Rituale sind Grundvoraussetzungen für dieses Konzept.
• Die Logotherapie nach Frankl soll zu einer positiven Lebensbilanz führen, die bei depressiven Menschen erfolgreich eingesetzt werden kann.
7. Praktische Umsetzung der Biografie-Erhebung am Beispiel von Frau A.
Mein erster Schritt bei der praktischen Umsetzung war für mich. Nachdem ich die künftige Bewohnerin, Frau A., um ihr Einverständnis zu dieser Arbeit gebeten hatte, das Sammeln von Informationen zu meinem Thema aus den Unterrichtsmaterialien, unseren Lehrbüchern, anderen Büchern sowie dem Internet.
Als Nächstes fragte ich meinen Pflegedienstleiter nach Unterlagen des Hauses. Zurzeit gibt es keine. Allerdings wird demnächst immerhin ein neues Dokumentationsblatt „Biografie“ Verwendung finden.
Mein dritter Schritt war die Anfertigung von Fragebögen. Diese Fragebögen habe ich aus Erhebungsbögen entwickelt, die mir eine Mitschülerin gegeben hatte. Die dabei entstandenen Biografie blätter benutzte ich als Gesprächsleitfaden und dienen der Kurzinformation im Dokumentationssystem.
Nun stellte ich Überlegungen an, wie ein Gespräch mit einem zukünftigen Bewohner aussehen sollte. Dabei kam ich zu der Ansicht, dass grundsätzlich die Gespräche nicht ein reines Abfragen sein sollten, da sie sonst leicht einen Verhör-Charakter bekommen. Andererseits sollte eine Wahlmöglichkeit angeboten werden. Schließlich erinnerte ich mich an mein Diktafon, das ich während der Ahnenforschung verwendet hatte. Die künftige Bewohnerin erklärte sich damit einverstanden, es zu verwenden. Dadurch konnte ich während des Gesprächs der Mimik und Gestik auch meine Aufmerksamkeit widmen. Zu Hause übertrug ich die erhaltenen Informationen in die schriftliche Biografie, oder in die Biografie Bögen.
Dann machte ich mir Gedanken über den passenden äußeren Rahmen und die passende Zeit und Dauer. Wir vereinbarten meinen Besuch bei Frau A. Freitagvormittags und beschränkten die Zeit auf ca. eine Stunde. Schließlich überlegte ich mir Gesprächsregeln. Zum Beispiel solle Frau A. sich nicht gezwungen fühlen über Dinge zu sprechen, die sie lieber verschweigen möchte. Auch, dass ich mich zu Verschwiegenheit verpflichte. Schließlich versicherte ich ihr, ihr die fertige Arbeit vor der Abgabe zur Korrektur oder Zensur vorzulegen.
Des Weiteren führte ich mir die im Unterricht besprochenen Regeln zur Gesprächsführung und zum Beratungsgespräch (z. B. Wertschätzung, gleiche Ebene, aktives Zuhören etc.) noch einmal vor Augen. Schließlich wurde mir klar, dass ich mein Ziel, Frau A. auf den Heimeinzug vorzubereiten, nur dann erreiche, wenn ich zur Biografie auch eine Sozial- und Pflegeanamnese erstelle und Impulse für eine individuelle Pflegeplanung formuliere. Biografie bögen, die Biografie / Sozialanamnese sowie die Pflegeanamnese sind in Anhang 1), 2) und 3) nachzulesen.
Auswertung der Biografie
Aufgrund der biografischen Informationen glaube ich, dass Frau A. folgende Eigenschaften, Fähigkeiten und Wertvorstellungen besitzt, deren Aufrechterhaltung und Förderung entscheidend zu ihrem Wohlbefinden beitragen:
Eigenschaften, Ressourcen: Religiosität/Spiritualität sind wichtig
Begründung: Religiöses Interesse findet sich durch die gesamte Lebensgeschichte
Impulse: Keine Kirchgängerin, aber spirituelle Gespräche erwünscht
Eigenschaften, Ressourcen: Legt Wert auf gepflegtes Äußeres
Begründung: Eigene Beobachtung
Impulse: Auf sauberes und korrektes Erscheinungsbild achten
Eigenschaften, Ressourcen: Selbstständigkeit ist ihr wichtig
Begründung: Als Alleinstehende war diese Eigenschaft notwendig und erwünscht
Impulse: Entscheidungsfreiheit ermöglichen, Zwang vermeiden, Rehabilitation b. B. möglich
Eigenschaften, Ressourcen: Fr. A. ist sehr kontaktfreudig
Begründung: Fr. A. hat immer noch einen großen Bekanntenkreis
Impulse: Kontakte ermöglichen mit „natürlichen“ Personen
Eigenschaften, Ressourcen: Sie benötigt Rückzugs-Möglichkeiten
Begründung: Viele Stunden verbringt sie allein Zuhause
Impulse: Rückzug ermöglichen
Eigenschaften, Ressourcen: Kann gut allein sein
Begründung: Fr. A. ist es gewohnt und schätzt Alleinsein
Impulse: Einzelzimmer oder ruhige, ungekünstelte Zimmerkollegin
Eigenschaften, Ressourcen: benötigt angemessene Herausforderungen
Begründung: Ihr Interesse am Lernen hat sie bis heute erhalten
Impulse: Geistige und körperliche Anforderungen im angemessenen Rahmen stellen, literarisches Hobby ermöglichen und fördern
Eigenschaften, Ressourcen: Schätzt Gespräche
Begründung: Unterhält sich gerne und oft mit Freunden und Bekannten
Impulse: Gesprächskontakte ermöglichen
Eigenschaften, Ressourcen: Sensibilität ist ausgeprägt
Begründung: Herrische, laute Stimmen sind ihr unangenehm
Impulse: Zuneigung zeigen, stets freundlichen Umgangston wählen
Eigenschaften, Ressourcen: Hohe Kompromissbereitschaft
Begründung: Fr. A. möchte niemandem zur Last fallen
Impulse: Eingliederung in Gemeinschaft ist erleichtert, auf Ausgewogenheit achten
Eigenschaften, Ressourcen: Anspruchslosigkeit
Begründung: Materielle Werte waren ihr nie wichtig
Impulse: Auf nicht verbalisierte Bedürfnisse achten
Eigenschaften, Ressourcen: Kann notwendige Hilfe annehmen
Begründung: Eigene Beobachtung
Impulse: Notwendigkeit einer Maßnahme erklären
Eigenschaften, Ressourcen: Frau A. ist willensstark
Begründung: Trainiert z. Z. selbstständig ihre Gehfähigkeit
Impulse: Ressource, die in Krisen einsetzbar ist
Eigenschaften, Ressourcen: Frau A. zeigt Ausdauer
Begründung: Lässt sich durch gesundheitliche Rückschläge nicht unterkriegen
Impulse: Ressource, die in Krisen einsetzbar ist
Eigenschaften, Ressourcen: Offen für Neues
Begründung: Eigene Beobachtungen
Impulse: Ressource, die in Krisen einsetzbar ist
Eigenschaften, Ressourcen: benötigt Zeit für alle Verrichtungen
Begründung: Wegen Atemnot sind häufige Ruhepausen erforderlich
Impulse: Genügend Zeit für Maßnahmen einplanen
8. Informationsgespräch im Team zur Bedeutung der Biografiearbeit im Heim.
Im Heim gab es nach Aussage der Pflegedienstleitung früher einen Fragebogen zur Biografie, der aber wieder abgeschafft wurde, weil vonseiten der zukünftigen Heimbewohner, oder deren Angehörigen, anscheinend kein Interesse bestand. Zurzeit werden dem künftigen Bewohner von der Pflegedienstleitung einige biografische Fragen gestellt. In den ersten beiden Tagen soll er sich einleben und bekommt dazu Informationen vom Haus. Diese Negativerfahrung des Hauses sollte m. E. kein Grund sein, die Biografie-Erhebung gänzlich zu streichen.
Es ist auch möglich, dass den beteiligten Personen die Bedeutung der Biografiearbeit nicht genügend klargemacht wurde. Vielleicht scheuen sich die künftigen Bewohner / Angehörigen auch einfach nur vor den auszufüllenden Papierbogen. In diesem Fall wäre ein persönliches Gespräch eine Alternative, um individuelle und ganzheitlich orientierte Pflege zu ermöglichen.
Ansonsten wird Biografiearbeit teilweise von den Pflegekräften übernommen, die relevante Informationen an das Team weiter geben oder auch manchmal in das Dokumentationssystem einbauen.
Es war mir ein Bedürfnis, die Bedeutung der Biografie respektive Biografiearbeit meinem Team vorzustellen. Ich bat deshalb die Pflegedienstleitung und den Stationsleiter, der gleichzeitig mein Praxisanleiter ist, im Rahmen des Teamgesprächs fünf bis 10 Minuten über mein Facharbeitsthema referieren zu dürfen, was mir auch gestattet wurde.
Danach verteilte ich meine ausgearbeitete Biografie bögen und bat das Team um Stellungnahme zum Referat und den Bögen. Alle Anwesenden konnten die Wichtigkeit der Biografie und Biografiearbeit nachvollziehen. Pflegedienstleiter und Stationsleiter waren sich aber einig, dass eine so detaillierte Bearbeitung überflüssig sei. Manche, besonders angelernte und ausländische Pflegekräfte meinten, dass sie über die Bedeutung einer Biografie bisher noch gar nicht nachgedacht hatten. Übereinstimmend sprach sich das Team dafür aus, wenn möglich, wichtige biografische Informationen in die Dokumentationsmappe einzutragen, damit sie allen Teammitgliedern zugänglich werden.
9. Reflexion
Die Interviews mit Frau A. waren interessant und haben Spaß gemacht. Bei der Ausarbeitung der Bögen habe ich m. E. zu viel Zeit gebraucht. Schwierig war auch geeignetes Lesematerial über Biografiearbeit zu finden. Durch die Beschäftigung mit diesem Thema hat sich mein Interesse an einer Vertiefung in diese Thematik – vordergründig in Bezug auf die Betreuung von Alzheimerpatienten – erhöht.
Frau A. ist sehr zufrieden, dass ihr zukünftiges Heim so viele Informationen über sie hat. Bei den Interviews fiel mir auf, dass sie vorrangig beim ersten Gespräch sofort auf ihre heutige Situation eingehen wollte, und nicht auf ihre Kindheit. Da ich die Gespräche aufzeichnete, war das auch kein Problem. Ihr Vertrauen zu mir hat sich vertieft. Sie hofft, dass sie auf meiner Station wohnen wird. Mir ist bewusst, dass andere Menschen eventuell weniger aufgeschlossen sein können. Dann muss das auch akzeptiert werden. Vielleicht ist bei diesen Bewohnern einfach mehr Zeit notwendig. Hier und auch sonst handelt es sich bei der Biografiearbeit um einen Prozess, der nie abgeschlossen ist.
Die Reaktion auf mein Referat im Teamgespräch war sehr positiv. Manche sagten allerdings überhaupt nichts dazu. Die Biografie Blätter seien zwar zu ausführlich, aber übersichtlich – und verkürzt verwendbar, meinten der Pflegedienstleiter und der Stationsleiter, gerne würde er später eine Kombination aus meinen Bögen und dem vorhandenen Fragenkatalog mit mir zusammenstellen.
Dieser Ansicht möchte ich mich selbst auch anschließen. Die Hauptarbeit, nämlich brauchbare Bögen parat zu haben, ist getan. Mit ihrer Hilfe kann nun beim Heimeinzug so viel Information wie möglich und nötig erfragt und im Verlauf der Zeit weiter fortgeschrieben werden, damit dem ganzheitlich orientierten Aspekt in der Pflege Rechnung getragen werden kann.
Kerkhoff B. /Halbach A.: Biografisches Arbeiten
Weitere Quellen zur Biografiearbeit in der Pflege
Gesprächsleitfaden für die Biografiearbeit
Biografiearbeit in der Pflege
Biografiearbeit
Biografiearbeit in der Altenpflege