Strafrecht in Deutschland
Ziel: Schutz wichtiger Gemeinschaftswerte
- Körperliche Unversehrtheit
- Leben
- Eigentum
- Freiheit
- Sexuelle Selbstbestimmung
- Persönliche Ehre
- Sicherheit im Straßenverkehr
- Vermögen
Sinn von Strafe:
Spezialprävention
Es soll auf den einzelnen Straftäter eingewirkt werden, damit er in Zukunft keine Straftaten mehr verübt durch:
- Abschreckung
- Erziehung
- Resozialisierung
- Sicherung
Inhaltsverzeichnis
- 1 Strafrecht in Deutschland
- 1.0.1 Ziel: Schutz wichtiger Gemeinschaftswerte
- 1.0.2 Sinn von Strafe:
- 1.0.3 Grundlagen der Strafbarkeit
- 1.0.4 Begehungsdelikte
- 1.0.5 Unterlassungsdelikte
- 1.0.6 Vorsätzliche Straftat
- 1.0.7 Liegen Rechtfertigungsgründe vor?
- 1.0.8 Fahrlässige Straftat:
- 1.0.9 Versuchte Straftat:
- 1.0.10 Täterschaft:
- 1.0.11 Anstiftung:
- 1.0.12 Beihilfe:
- 1.0.13 Rechtsfolge einer Straftat:
- 1.0.14 Rechtsfolgen bei Jugendlichen:
- 1.0.15 Rechtsfolgen bei Erwachsenen:
- 1.0.16 Ausgewählte Straftatbestände
- 1.0.17 Einwilligung:
- 1.0.18 Wichtig:
- 1.1 Tötungsdelikte:
- 1.2 Tötung auf Verlangen:
- 1.3 Fahrlässige Tötung:
- 1.4 Mord:
- 1.4.1 § 211StGB: „Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft“.
- 1.4.2 Sterbehilfe:
- 1.4.3 Aussetzung:
- 1.4.4 § 221 StGB:
- 1.4.5 „Wer einen Menschen“
- 1.4.6 Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.4.7 Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter 3 Jahren.
- 1.4.8 Unterlassene Hilfeleistung:
- 1.4.9 Verletzung von Privatgeheimnissen
- 1.4.10 Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruches
- 1.4.11 Fristenregelung mit Beratungspflicht
- 1.4.12 Medizinisch-soziale Indikation
- 1.4.13 Kriminologische Indikation:
Generalprävention
Der noch nicht kriminelle soll abgeschreckt, der ordentliche Bürger in seinen Vorsätzen bestärkt, der Labile in Furcht gehalten werden durch:
- Androhung von Strafe
- Verurteilung
- Vollzug der Strafe
Grundlagen der Strafbarkeit
- Verletzung von wichtigen Werten stellt nur dann eine Straftat dar, wenn die Tat unter ein Strafgesetz einzuordnen ist. (→ keine rückwirkende Bestrafung!)
- Menschliche Handlung als Grundlage einer Straftat → schließt Reflexe, Bewegungen von Bewusstlosen und Tierprozesse aus!
- Vorliegen einer Straftat:
Handlung
Begehungsdelikte
Die Handlung wird durch aktives Tun, durch Einsatz von Energie vollbracht. Der Mensch tut etwas, er handelt.
Vorsätzliche Tat
Eine bestimmte Tat wird bewusst und gewollt durchgeführt
Fahrlässige Tat
Das Ergebnis einer Handlung ist nicht gewollt; die Ursache liegt in vermeidbaren Fehlern
Unterlassungsdelikte
Die Handlung wird durch „Nichtstun“ vollbracht. Der Mensch lässt den Dingen ihren Lauf und macht von der Möglichkeit des Eingreifens keinen Gebrauch.
Unechtes Unterlassungsdelikt
Straftaten, bei denen der Täter nicht tut, obwohl er eine besondere Rechtspflicht zum Handeln hat
Echtes Unterlassungsdelikt
Verstoß gegen eine Gebotsnorm, bloßes Unterlassen einer vom Gesetz geforderten Tätigkeit
Vorsätzliche Straftat
- Tatbestand
- Objektiver Tatbestand: äußere Umstände → trifft das Gesetz zu?
- Subjektiver Tatbestand: innere Umstände → Wissen und Wollen der Tatbestandsverletzung = Vorsatz
- Rechtswidrigkeit
Liegen Rechtfertigungsgründe vor?
- Notwehr: Abwehr eines gegenwärtigen Angriffs
- Einwilligung: Verzicht auf Rechtsschutz, Widerruf jederzeit möglich
- Notstand: Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr
- Züchtigungsrecht: Erziehungsaufgabe, Tat muss angemessen sein
- Festnahme recht: den Täter auf frischer Tat an der Flucht hindern
- Schuld
- Schuldunfähigkeit (Kinder > 14 Lebensjahre, krankhaft seelische Störung, tief greifende Bewusstseinsstörung, Schwachsinn)
- Entschuldigungsgründe (Pflichtenkollision)
Fahrlässige Straftat:
- Strafbares Verhalten bei ungewollter Rechtsverletzung
- Wenn jemand die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen und nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet und fähig ist.
- Strafbarkeit liegt nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Regelung vor
Versuchte Straftat:
Der Versuch eines Verbrechens ist strafbar, der Versuch eines Vergehens nur dann, wenn des das Gesetz ausdrücklich bestimmt.
- Verbrechen: Mindeststrafe 1 Jahr oder mehr
- Vergehen: Strafe weniger als ein Jahr
- Objektiver Tatbestand nicht erfüllt/vollendet
- Subjektiver Tatbestand erfüllt
- Rücktritt vom Versuch kann zur Straffreiheit führen
Täterschaft:
Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.
- Unmittelbarer Täter: wenn jemand eigenhändig eine Straftat ausübt oder Herrschaft über das Tatgeschehen besteht
- mittelbarer Täter: wenn jemand die Straftat durch einen anderen durchführt, wobei er diesen gewissermaßen als Werkzeug benutzt
- Mittäterschaft: mehrere führen gemeinschaftlich in bewussten und gewollten Zusammenwirken eine Tat aus
Anstiftung:
Als Anstifter wird gleich einem Täter bestraft, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlicher begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat.
Der Anstifter hat hier nicht die Tatherrschaft, aber bestimmt den Täter.
Beihilfe:
Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.
Der Gehilfe hat keine Tatherrschaft, will die Tat für sich nicht, hilft aber bewusst und gewollt mit.
Rechtsfolge einer Straftat:
0 – 14 Jahre Kind keine Schuldfähigkeit → keine Bestrafung
14 – 18 Jahre Jugendlicher Strafbar nach Jugendstrafrecht
18 – 21 Jahre heranwachsender Strafbarkeit nach Jugendstrafrecht, wenn
- er zur Zeit der Tat nach seiner Entwicklung einem Jugendlichen gleichstand oder
- es sich um eine Jugendverfehlung handelt
21 Jahre erwachsender Strafbarkeit nach allgemeinem Strafrecht
Rechtsfolgen bei Jugendlichen:
- Sanktionen mit straf ähnlichem Charakter (Schuld voraussetzbar)
- Erziehungsmaßregeln:
- Weisungen (gemeinnützige Arbeit, Verkehrsunterricht)
- Anordnung Hilfe zur Erziehung in Anspruch zu nehmen (betreutes Wohnen, Heimerziehung)
- Zuchtmittel:
- Verwarnung(mündliche Zurechtweisung)
- Erteilung von Auflagen
- Jugendarrest
- Jugendstrafe:
6 Monate bis 10 Jahre Jugendstrafanstalt
Maßregeln zur Besserung und Sicherung (Wenn keine Schuld vorrausetzbar ist)
Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik, Erziehungsanstalt, Entzug der Fahrerlaubnis
Rechtsfolgen bei Erwachsenen:
- setzen Schuld voraus
- Freiheitsstrafe
- Dauer: lebenslänglich oder 1 Monat, max. 15 Jahre
- Bewährung bei Freiheitsstrafen bis zu 2 Jahren
- Bewährungszeit zw. 2 und 5 Jahren
- Widerruf der Bewährung bei neuen Straftaten der Verstoß gegen Bewährungsauflagen
- Geldstrafe
- Tagessatzprinzip: Geldstrafe = Anzahl der Tagessätze * Höhe des einzelnen Tagessatzes
- Mind. 5 max. 360 Tagessätze
- Maß des einzelnen Tagessatzes: 2 DM – 10 000 DM
- Nebenstrafen
- Fahrverbot von 1 bis 3 Monaten
- ohne Schuldfähigkeit = Maßregeln zur Besserung und Sicherung
- Unterbringung in
- psychiatrischem Krankenhaus
- Entziehungsanstalt
- Sicherungsverwahrung
- Führungsaufsicht
- Entzug der Fahrerlaubnis
- Berufsverbot
Ausgewählte Straftatbestände
(vorsätzliche) Körperverletzung:
§ 223 StGB: „Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Der Versuch ist strafbar.“
Zur Erklärung:
Körperliche Misshandlung = Beeinträchtigung des körperlichen + psychischen Wohlbefindens
Gesundheitsschädigung = Hervorrufen eines krankhaften Zustandes, Infektion (z. B.: mit HIV reicht aus)
- Unterlassung kann auch zur Körperverletzung führen (z. B.: Analgetika nicht geben!)
- Verfolgung ist nur möglich, wenn das Opfer einen Strafantrag stellt oder besonderes öffentliches Interesse besteht
- Ärztliche Heilbehandlung als Eingriff in die körperliche Integrität (=Körperverletzung)
- Straflosigkeit der Körperverletzung bei wirksamer Einwilligung
Einwilligung:
- Verfügungsbeschluss
- der Einwilligende muss über das verletzte Rechtsgut verfügen
- Grenze bei Sittenwidrigkeit
- Einwilligungsfähigkeit
- bei natürlicher Einsichtsfähigkeit, d. h.
- Der Einwilligende kann die Bedeutung und die Tragweite des Eingriffs erkennen
- Das ist bei Jugendlichen abhängig von der geistigen Reife
- Erkennbarkeit und Rechtzeitigkeit
- Es ist jederzeit mündlich widerrufbar
- Einwilligung muss vor der Tat nach außen bekundet worden sein
- Bewusste und Freiwillige Erklärung
- Patienten müssen die Einwilligung bewusst und freiwillig abgegeben haben
- Ausdrückliche Einwilligung:
- Mündlich → Keine bestimmte Form erforderlich
- Schriftlich
- Stillschweigend (z. B.: s. c. Injektion)
- Mutmaßlich = vermutete Einwilligung (z. B.: OP-Erweiterung)
- Aufklärung
- Umfang der Aufklärung vor Einwilligung
- Über Art, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs
- Über Behandlungsalternativen
- Folgen + Risiken des Eingriffs
- Intensität abhängig von Persönlichkeit des Patienten
- therapeutisches Privileg der Nicht-Aufklärung (nur zugunsten des Patienten)
- Zeitpunkt der Aufklärung:
- Bei kleinen und risikoarmen Eingriffen ist die Aufklärung rechtzeitig, bei stationärer Behandlung am Vortag des Eingriffs, bei ambulanten Eingriffen am Tag des Eingriffs
- Bei schwierigen und risikoreichen Eingriffen miss das Gespräch bei Festlegung des OP-Termins erfolgen
- Bezüglich Narkoserisiken muss erst am Vorabend des Eingriffs aufgeklärt werden
Wichtig:
- Blutuntersuchung auf HIV-Antikörper dann illegal, wenn der Patienten nicht zu einer Risikogruppe gehört oder wenn Patienten dies ablehnt
- Kein Eingriff gegen den frei verantwortlichen Willen eines Patienten
(fahrlässige) Körperverletzung:
§ 229 StGB: „Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, der wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“.
→ ungewollte Körperverletzung bei Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht
Tötungsdelikte:
Totschlag:
§ 212 StGB: „Wer einen Menschen tötet ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren bestraft“.
Tötung auf Verlangen:
§ 216 StGB: „Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von 6 Monaten bis zu 5 Jahren zu erkennen“.
Tötung = Beendigung menschlichen Lebens (= Hirntod)
→ Siehe Übersicht auf der nächsten Seite
Fahrlässige Tötung:
§ 222 StGB: „Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“.
→ Wenn der Sorgfaltsverstoß zum Tode eines Menschen führt
Übersicht:
Objektiver Tatbestand des Totschlages
Mord:
§ 211StGB: „Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft“.
Mord ist die Tötung eines Menschen,
aus einem besonders verwerflichen Beweggrund
- aus Mordlust
- zur Befriedigung des Geschlechtstriebes
- aus Habgier oder
- sonst aus niedrigen Beweggründen
Auf besonders verwerfliche Art und Weise
- heimtückisch
- oder grausam
- oder mit gemeingefährlichen Mitteln
Zu einem besonders verwerflichen Zweck
- um eine andere Straftat zu ermöglichen
- oder zu verdecken
Sterbehilfe:
Aussetzung:
§ 221 StGB:
„Wer einen Menschen“
- in hilflose Lage versetzt oder
- in einer hilflosen Lage im Stich lässt, obwohl er ihm in seiner Obhut hat oder ihm sonst beizustehen verpflichtet ist, und ihn dadurch der Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung aussetzt,
- wird mit Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren bestraft.
Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu 10 Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- (…)
- Durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung des Opfers verursacht hat.
Verursacht der Täter durch die Tat den Tod des Opfers, so ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter 3 Jahren.
- Opfer muss sich zum Tatzeitpunkt in hilfloser Lage befinden (z. B.: dann wenn er sich nicht selbst helfen oder schützen kann, bewusstlose, altersschwache …)
- Tathandlung = Aufhebung der räumlichen Nähe zwischen Opfer und Beschützer
- versetzen in hilfloser Lage: Ortswechsels der Opfers (z. B.: Taxifahrer der Betrunkenen auf offener Strecke aus dem Fahrzeug lässt und wegfährt)
- Im-Stich-Lassen: Täter entfernt sich vom Opfer (z. B.: Nachtwache verlässt Station)
- Verlassen wird dann strafbar, wenn Obhut oder Beistandpflicht besteht
- Die besteht dann, wenn ein Vertrag oder eine tatsächliche Übernahme steht (z. B.: Nachbarin passt auf Säugling auf)
Unterlassene Hilfeleistung:
§ 323c StGB: „Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr nicht Hilfe leistet. Obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten ist, insbesondere ohne erhebliche Gefahr und ohne Verletzung andere wichtigen Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft“.
Verletzung von Privatgeheimnissen
Schwangerschaftsabbruch:
§ 218 StGB: „Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis und 3 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft“.
Menschliches Leben beginnt mit der Nidation der befruchteten Eizelle in den Uterus!
Die Phasen des menschlichen Lebens im Hinblick auf den strafrechtlichen Schutz:
Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruches
Fristenregelung mit Beratungspflicht
die Schwangere verlangt den Abbruch
Bescheinigung der Beratungsstelle über Beratung mindestens 3 Tage vor dem Eingriff
Abbruch vom Arzt vorgenommen
Seit der Empfängnis weniger als 12 Wochen vergangen
Kostenübernahme durch Krankenkasse bei Bedürftigkeit
→ Abbruch rechtswidrig, aber straflos
Medizinisch-soziale Indikation
Einwilligung der Schwangeren
Abbruch durch Arzt getätigt
Abwendung von Gefahr für Leib und Leben der Schwangeren
Beseitigung der Gefahr nicht auf andere zumutbare Weise nicht möglich
→ Abbruch nicht rechtswidrig
Kriminologische Indikation:
Einwilligung der Schwangeren
Abbruch von Arzt durchgeführt
Vergewaltigung oder Ähnliches an der Schwangeren begangen
Schwangerschaft beruht auf einer Straftat
Seit der Empfängnis sind weniger als 12 Wochen vergangen
→ Abbruch nicht rechtswidrig