Suizid im Alter
a) Definitionen für Suizid im Alter
Der Begriff Suizid setzt sich aus den beiden lateinischen Ausdrücken sui cadere = sich töten oder sui cidium = Selbsttötung zusammen.
Dementsprechend nennt sich die Suizidforschung Suizidologie, dies ist eine anerkannte Wissenschaft des medizinischen, psychologischen und sozialwissenschaftlichen Bereichs.
– Derjenige, welcher einen Suizid begeht, nennt sich Suizident
Es wird unterschieden zwischen einer suizidalen Handlung = Handlung mit (letalem) tödlichem Ausgang und Suizidversuch = mit nicht (letalem) tödlichem Ende
Des Weiteren unterscheidet man zwischen vollendeten und versuchten Suizid. Diese Unterscheidung ist notwendig, da nicht jeder, der einen Suizidversuch durchführt, sterben will, sondern einen „Hilferuf“ an seine Umgebung abgeben möchte.
Außerdem gibt es noch die Methode des harten und weichen Suizids, unter hart versteht man Methoden wie: von einer Brücke springen, sich erhängen oder erschießen, also ein relativ sicherer Vorgang sich das Leben zu nehmen, unter weich versteht man z. B. die Einnahme von Medikamenten oftmals in Verbindung mit Alkohol
Inhaltsverzeichnis
- 1 Suizid im Alter
- 1.1 a) Definitionen für Suizid im Alter
- 1.2 b) Suizid
- 1.2.1 Der Suizidgefährdete durchläuft drei Stadien, bis er den Selbstmord vollzieht:
- 1.2.2 Das Suizidrisiko steigt vordergründig im hohen Alter an; es ist zudem bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen. Dies zeigen folgende Zahlen:
- 1.2.3 Merkmal
- 1.2.4 versuchter Suizid
- 1.2.5 vollendeter Suizid
- 1.2.6 c) Warnzeichen von Suizidgedanken
b) Suizid
Das im Alter deutlich ansteigende Suizidrisiko ist hauptsächlich auf das gehäufte Auftreten von Situationen in dieser Lebensphase zurückzuführen, welche die Bewältigungsressourcen des Menschen überfordern. Soziale Bedingungen werden meist als Auslöser für den Alterssuizid genannt. Tod des Partners, Auseinandersetzungen im Familienverband, Umzug in ein Altenheim, mangelnde soziale Integration, Isolation und Einsamkeit. Oftmals verstärkt durch bevorstehende Familienfeste (z. B. Weihnachten), oder der dunklen Jahreszeit (z. B. Winter) diese o. g. Auslöser führen zu der häufigsten Ursache für einen Suizid: der Depression.
– Ein weiterer Faktor zur Ambivalenz des Lebenswillens, ist eine fortschreitende Krankheit und Behinderung. „Das Leben nähert sich ohnehin seinem Ende.“
Der Suizidgefährdete durchläuft drei Stadien, bis er den Selbstmord vollzieht:
• Stadium I: Er erwägt den Suizid
• Stadium II: Er ist hin- und hergerissen, zwischen dem Gedanken an den Suizid und dem Gedanken zu leben, ist sich noch nicht schlüssig
• Stadium III: Entschluss ist gefasst und der Suizid wird vorbereitet, sogar evtl. indirekt angekündigt und schließlich durchgeführt
Das Suizidrisiko steigt vordergründig im hohen Alter an; es ist zudem bei Männern stärker ausgeprägt als bei Frauen. Dies zeigen folgende Zahlen:
In der Altersgruppe der 60- bis 70-Jährigen kommen bei Frauen 15 Selbstmorde auf 100.000 Einwohner, bei Männern 25. In der Altersgruppe der 70-bis 80-Jährigen kommen bei Frauen 25 Selbstmorde auf 100.000 Einwohner, bei Männern 70
– Der vollendete Suizid wird also von fast doppelt so vielen Männern als Frauen begangen. Es gibt Unterschiede in den sozialen Schichten: ab dem 65. Lebensjahr steigt die Selbstmordrate in den unteren Schichten und sinkt in den oberen.
– Aber Männer und Frauen unterscheiden sich in jeglicher Hinsicht, was den Suizid angeht, hierzu ein Vergleich:
Merkmal |
versuchter Suizid |
vollendeter Suizid |
Geschlecht | Mehrheit weiblich | Mehrheit männlich |
Alter | meist jung | Risiko steigt im Alter |
Methode | Letalität niedrig (Tabletten, Schneiden) | Gewaltanteil höher (Erschießen, Springen) |
Situation | Intervention wahrscheinlich | Vorkehrungen gegen Entdeckung |
Häufige Diagnose | Dysthymie Störung Borderline | Affektive Störung Alkoholismus, Schizophrenie |
Dominanter Affekt | Depression mit Wut | Depression mit Hoffnungslosigkeit |
Motivation | Veränderung der Situation Hilferuf | Tod |
Verlauf in der Klinik | Schnelle Besserung der Stimmung, Erleichterung, überlebt zu haben, Versprechen, es nicht zu wiederholen |
c) Warnzeichen von Suizidgedanken
– Suizid ist selten nur ein spontaner Entschluss. In den Tagen und Stunden, bevor sich Menschen das Leben nehmen, lassen sich gewöhnlich Hinweise und Warnzeichen beobachten:
• Verbaler Natur:
→ „Ich kann einfach nicht mehr“
→ „Es hat alles keinen Sinn mehr“, oder
→ „Ich glaube, ich mache all dem ein Ende“
• Nonverbaler Natur:
→ Deprimiert sein oder Verschlossenheit
→ Leichtsinniges Verhalten
→ Dinge in Ordnung bringen und Wertsachen verschenken,
→ eine merkliche Veränderung im Verhalten, in den Einstellungen oder des Aussehens
→ Medikamenten- oder Alkoholmissbrauch
• Weitere Verhaltensauffälligkeiten:
→ Weinen
→ Impulsivität,
→ Selbstzerstörung,
→ Verhaltensveränderungen allgemein wie:
→ Schlafstörungen
→ Appetitlosigkeit
→ plötzlicher Gewichtsverlust / Zunahme
→ Häufigkeit kleinerer Erkrankungen
→ Langeweile
→ Antriebslosigkeit
→ Sie werden nach einer depressiven Phase. Plötzlich wieder fröhlich
→ Konzentrationsschwierigkeiten.
d) Umgang mit Warnzeichen
– Wichtig ist für den Behandelnden und für andere an der Betreuung Beteiligten:
→ möglichst immer Selbstmordgedanken hinterfragen
→ Drohungen ernst nehmen
→ Bei Vermutung den Betroffenen beobachten
→ besondere Vorsicht, wenn Alkohol im Spiele ist
→ falls möglich Familienmitglieder und Freunde in die Therapie als „Verbündete“ einbeziehen
→ immer auf verschlüsselte Aussprache Acht geben
→ grundsätzlich immer Äußerungen der Hoffnungslosigkeit größte Aufmerksamkeit schenken
→ Arzt informieren und dann evtl. medikamentöse Unterstützung
→ erst Problemlösungsversuche, wenn die entsprechende Belastbarkeit des Patienten eingetreten ist
→ freundliche Zuwendung
→ intensive Betreuung durch Therapeuten und Pflegepersonal
→ nach Depressionen oder Alkoholismus in der Familie fragen
→ immer Misstrauen hegen bei allen Unfällen, hinter denen sich Selbstmordversuche verbergen könnten
→ niemals annehmen, dass derjenige, der Selbstmord durch eine Überdosis Medikamente versuchte, nicht ernsthaft Selbstmord begehen wollte
→ Medikamente niemals in Mengen verschreiben (aushändigen), die letal sind, falls sie der Patient in einer Dosis nimmt
Wie verhalte ich mich in Gesprächen mit gefährdeten Heimbewohnern?
Unsere erste Reaktion auf Menschen, die unter Depressionen leiden oder sich mit Suizidgedanken tragen, ist, zu versuchen, ihnen zu helfen. Dabei geben wir gute Ratschläge, erzählen ihnen von unseren eigenen Erfahrungen und bemühen uns, Lösungen zu finden.
Wir täten jedoch weitaus besser daran, ihnen zunächst einmal einfach zuzuhören. Lebensmüde Menschen suchen nicht nach Antworten oder Lösungen. Sie sehnen sich nach einem sicheren Ort, an dem sie ihre Ängste und Sorgen zum Ausdruck bringen, sie selbst sein können. Zuzuhören – wirklich zuzuhören – ist nicht einfach. Wir müssen uns zusammennehmen, nicht gleich mit etwas herauszukommen – einen Kommentar abzugeben, eine Geschichte zu erzählen oder Rat zu erteilen. Wir müssen nicht nur auf die Fakten hören, die wir von dem Betroffenen erhalten, sondern auch auf die zugrundeliegenden Gefühle. Wir müssen es lernen, die Dinge aus ihrer Perspektive zu sehen, nicht aus unserer eigenen.
Im Folgenden sind einige Hinweise gegeben, die wir nicht vergessen sollten, wenn wir einer selbstmordgefährdeten Person wirklich helfen wollen. Was „lebensmüde“ Menschen möchten.
• Jemanden, der ihnen zuhört. Jemand, der sich Zeit nimmt, ihnen wirklich zuzuhören. Jemand, der nicht gleich urteilt, Ratschläge oder Meinungen von sich gibt, sondern sich ihnen mit ungeteilter Aufmerksamkeit zuwendet.
• Jemanden, dem sie vertrauen können. Jemand, der sie respektiert und nicht versucht, zu übernehmen. Jemand, der alles streng vertraulich behandelt.
• Jemanden, der Anteil nimmt. Jemand, der sich gern zur Verfügung stellt, der dieser Person die Befangenheit nimmt und ruhig mit ihr spricht. Jemand, der ein Gefühl der Sicherheit vermittelt, akzeptiert und Glauben schenkt. Jemand, der sagt: ‘Du bist mir nicht egal’.
Was lebensmüde Menschen nicht möchten:
• Allein sein. Ablehnung kann ein Problem oftmals zehnfach so schlimm erscheinen lassen. Jemanden zu haben, an den man sich wenden kann, gibt der Sache hingegen ein ganz anderes Gesicht.
• Gute Ratschläge erhalten. Belehrungen sind keine Hilfe. Genauso wenig wie der Zuspruch ‘Kopf hoch’ oder eine leichtfertige Versicherung, dass ‘alles wieder gut werden wird’. Vermeiden Sie es, zu analysieren, zu vergleichen, zu kategorisieren oder zu kritisieren.
• Ausgefragt werden. Wechseln Sie nicht das Thema, bemitleiden Sie nicht und wirken Sie nicht herablassend. Über Gefühle zu sprechen, ist nicht leicht. Menschen mit Selbstmordgedanken möchten weder gedrängt noch in die Defensive versetzt werden.
! Anmerkung!
– Auch strengste Sicherheitsmaßnahmen können den Suizid eines wirklich dazu Entschlossenen nicht verhüten. Die absolut sichere Suizidprophylaxe gibt es nicht!
Selbstmord im Altenheim Erfahrungen als Altenpflegerin zum Abschluss und zum Nachdenken
Als Altenpflegerin hatte ich schon öfter Zeit, mit dem Suizid alter Menschen zu tun. Ein Suizid, der tödlich endete, ist mir besonders in Erinnerung geblieben und nahe gegangen. Eine Bewohnerin, sie lebte bei uns im Haus (Wohnbereich). Sie war in letzter Zeit häufiger im Krankenhaus und ihr allgemeiner Zustand verschlechterte sich immer mehr. Sie konnte sich nur noch mithilfe ihres Gehwagens fortbewegen. In der Zeit, als ihr gesundheitlicher Zustand schlecht war, gingen wir öfter zu ihr rein. Dann gab es wieder Zeiten, in denen es der Bewohnerin besser ging. Und ein öfteres Nachschauen nicht mehr erforderlich war.
Eines Tages kam die Bewohnerin auf mich zu und bat um ein Gespräch. Da ich wie immer ziemlich in Zeitnot war, sagte ich zu ihr, dass ich nachher einen Sprung zu ihr komme. Um 11 Uhr besuchte ich die Bewohnerin. Sie erzählte mir das sie verreisen wird zu Verwandte nur ein paar Tage. Sie fragte mich, ob ich denn was gegen Sie hätte, weil meine Besuche spärlicher geworden sind in der letzten Zeit.
Ich erklärte ihr, dass dies nicht der Fall ist. Sie zeigte mir Bilder, auf denen sie als junges Mädchen zu sehen war. Fr. T. war Tänzerin und bedauerte es zutiefst, dass es mit dem Laufen immer schlechter wurde. Ich verabschiedete mich von ihr und wünschte ihr schöne Tage bei den Verwandten. Bei unserer Übergabe erwähnte ich das Verhalten von Fr. T., aber viel Zeit sich weiter darüber Gedanken zu machen war nicht.
Einen Tag später … Ich hatte Frühdienst und musste für einen Bewohner einen Notarzt holen. Auf dem Weg zum Krankenwagen, es war 6.00 morgens und noch dunkle Nacht. Lief mir Frau T. draußen über den Weg. Ich dachte noch, was macht sie so früh draußen?.. Doch der Alltag holte mich sofort aus meinen Gedanken zurück. Samstag Mittag um 11,30 ein Anruf … eine Bekannte von Frau T. rief an. Sie erzählte uns am Telefon, dass Frau T. ihr eine Karte geschickt hatte, in der sie andeutet, dass sie sich umbringen wird. Eine Kollegin und ich sind dann in die Wohnung von Fr. T. gegangen. Wir fanden Fr. T. tot in der Badewanne vor. Sie hatte sich mit Schlafmitteln das Leben genommen.
Es war kurz vor Weihnachten …. Frau T. hatte jedes Jahr bei dem Krippenspiel mitgewirkt und dieses Jahr wäre es ihr nicht mehr möglich gewesen wegen des schlechten Gesundheitszustandes, ob dieser Suizid zu verhindern gewesen wäre? Ich weiß es nicht. Es war von der Bewohnerin geplant und gewollt, sie wollte friedlich aus dem Leben scheiden. Es war ihre letzte Reise geworden …
Literaturverzeichnis:
tot-und-sterben
Altenpflege, Tod und Sterben
Fachhochschule Münster
Ärzte Zeitung
Dr. Michael Osterheider
Altenarbeit
Perescon
Der–Ort-der-Stille
Depression-Sprechstunde
Netdoctor
Psychosoziale-Gesundheit
Lichtblick99
Uni-Jena
Neurogeriatrie
u. v. m.
(Es handelt sich ausschließlich um Internetseiten)
Weitere Quellen zum Suizid im Alter
Suizid im Alter: Die typischen Warnzeichen
Suizidalität und Suizidprävention im Alter