Autor/in: Sandokan

Einführung Psychologie

I. EINFÜHRUNG UND WISSENSCHAFTSTHEORIE

Fragt man nach, ob und inwieweit Wissen über Psychologie in der konkreten Auseinandersetzung mit alten Menschen hilfreich sein könnte, führt das zu einem breit gefächerten Meinungsbild: einerseits, gar nicht‘, andererseits ein, Verstehen‘ von Abwehrprozessen oder ein besseres, Eingehen-können‘ auf bestimmte, Kommunikationsformen‘, wobei hier jedoch auch Alltagsweisheiten eine Rolle spielen können (, der Klügere gibt nach.‘). Dennoch ist die Hoffnung darauf, dass Psychologie – irgendwo – auch eine ganz hilfreiche Sache sein kann, nicht ganz verloren, denn letztlich will, man‘ seine Mitmenschen verstehen, eigenes Verhalten ändern etc.

1.1. Wissenschaftstheoretische Vorüberlegungen.

Will man Psychologie betreiben, muss zunächst deutlich werden, was sie kann und was sie nicht kann. Psychologie als Wissenschaft vom Verhalten und Erleben. Das kann natürlich nicht alles erklären, was es auf dieser Welt so gibt, aber sie behauptet von sich, alles erklären zu können, was auf dieser Welt mit Verhalten und Erleben zu tun hat. Das ist auch schon eine ganze Menge.


Wir stehen allerdings vor der Frage, ob die Betrachtungsweise der Welt denn auch richtig im Sinne von wahr ist. Falls sie nicht wahr sein sollte, unterscheidet sie sich in keiner Weise von einer bloßen Behauptung. Wissenschaft muss also ihre Behauptungen auch begründen. Nun gibt es einige Theorien darüber, wie denn der Wahrheitsgehalt von Erklärungen einer Überprüfung unterzogen werden kann. Die heute allgemein anerkannteste ist der Positivismus, der davon ausgeht, dass nur das sinnlich und tatsächlich wahrnehmbare und Existierende einer wissenschaftlichen Analyse standhalten kann. Geschichtlich gesehen war der Positivismus eine Antwort auf die Metaphysik und die Theologie. Die bekannteste Weiterentwicklung stellt der Neopositivismus der Wiener Schule dar ; hier wird nicht mehr eine Verifizierung (Bestätigung) der Erkenntnisse als Beweis für die Richtigkeit einer These angesehen, sondern der Forscher muss mit allen Mitteln versuchen, die These zu falsifizieren (zu widerlegen).

Gelingt ihm dies nicht, so wird die Wahrscheinlichkeit größer, dass die These richtig zu sein scheint (wer den Forschungsbetrieb kennt, wird sehen, dass diese Vorgehensweise [außer bei einigen statistischen Verfahren] keinesfalls immer durchgehalten wird). Dennoch kann auch bei strengster neopositivistischer Beweisführung nicht davon ausgegangen werden, dass eine Erklärung, wahr‘ im Sinne von ewig gültig oder immer so seiend ist.
Stellen Sie sich vor, wir lassen ein Stück Kreide fallen. Die Erklärung, dass dafür die Fallgesetze und die gegenseitige Anziehungskraft der Körper daran, schuld‘ seien. Hört sich zwar ganz vernünftig an, dennoch wird sie erst wahr, wenn sie für alle Kreidestücke zutrifft, die in der Vergangenheit auf den Boden gefallen sind und in Zukunft (also in alle Ewigkeit) auf den Boden fallen werden.

Da bisher alle Kreidestücke, die losgelassen wurden, auf den Boden gefallen sind, kann gesagt werden, dass diese Erklärung relativ wahrscheinlich ist. Aber wissen können wir das nicht: an einen anderen Ort und irgendwann könnte ein Stück Kreide einmal nicht zu Boden fallen (und auch falls dies nicht geschieht: genaugenommen hätten wir dann die Fallgesetze nur in Bezug auf Kreide verifiziert). 1. Hauptvertreter A. COMTE, 1798 – 1857; er führte übrigens den Begriff der Soziologie in die Wissenschaft ein
2. Hauptvertreter K. POPPER, *1902

Damit wird deutlich, dass die wissenschaftlichen Wahrheiten eigentlich „nur“ Wahrscheinlichkeiten sind, die im Laufe der Zeit überholt, relativiert oder widerlegt werden können. Damit wird der Wahrheitsbegriff selbst relativiert: Es gibt in der Wissenschaft nichts Wahres, sondern lediglich Wahrscheinliches. Letztlich kommen wir zu der etwas ernüchternden Aussage, dass Wahrheiten hergestellt sind – und dass die Wissenschaft oft genug für die Zementierung kultureller Konventionen stand (die Erde ist eine Scheibe; wer vor 500 Jahren etwas anderes behauptete, bekam die ganze Macht der Kirche zu spüren [die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen]).

Ebenso relativ sind die scheinbar, objektiven‘ Gegebenheiten in unserem alltäglichen Erleben: das, objektiv‘ gleiche Glas Wasser wird von jemandem, der in der Wüste kurz vor dem Dursttod steht, mit Sicherheit anders, wahr‘ genommen als von einer Person, die im Bodensee kurz vor dem Ertrinken steht. Damit dürfte sich die Psychologie auch weniger mit den sog, objektiven Tatsachen‘ beschäftigen, denn genaugenommen gibt es sie nicht, da die Tatsachen immer vom Betrachter ab-hängig sind (denken Sie an einen Unfall, der von sechs Zeugen gesehen wird: Es werden anschließend auch sechs verschiedene Unfälle geschildert). Dafür jeder aus seinem Blickwinkel heraus erlebt (und das, wahr nimmt‘), muss die Psychologie dieser Tatsache Rechnung tragen: Es gibt kein falsches Erleben. Und: man kann nicht erleben, d. h., das Seelische befindet sich immer im Austausch mit der Welt und stellt so seine Wahrheiten her.

Eine weitere grundlegende Frage ist das Problem, ob man die Welt mithilfe einer „übergeordneten Wissenschaft“, die alle anderen Wissenschaften subsumiert (in sich vereinigt), nicht wesentlich genauer erfassen kann. Hier tritt allerdings das Problem auf, dass jede Wissenschaft ihre eigene Welt entwirft und sie untersucht. Dies ist ein Grund dafür, warum es keine Superwissenschaft geben kann, die durch additives Vorgehen (Wissenschaft1 + W2 + W3 + … + Wn = Wsuper) geschaffen werden kann. Durch eine Addition wird keine neue Ganzheitlichkeit konstituiert, sondern eine Anhäufung unterschiedlicher Wissensbereiche erreicht. Als Beispiele diene ein Stein, der jemanden auf den Fuß fällt. Die Physik interessiert sich für die Fallbewegung und die Aufprallgeschwindigkeit, die Medizin dafür, welcher Teil des Fußes wie gebrochen ist und die Psychologie fragt danach, was derjenige erlebt, dem solches Ungemach widerfährt.

Sollte der Stein von einer Person geworfen worden sein, wird sich der Jurist unter Zuhilfenahme seiner Wissenschaft mit dem „Fall“ beschäftigen (wobei er natürlich Gutachter anderer Wissenschaften heranziehen kann, damit wird die letztendliche Würdigung dieses Vorfalles jedoch nicht juristisch irrelevant). Das gleiche Phänomen wird also von jeder Wissenschaft jeweils vollständig beschrieben und behandelt – in ihrem Gegenstandsbereich. Dies hat natürlich auch innerhalb der einzelnen Wissenschaften Konsequenzen, wenn sich z. B. verschiedene „Schulen“ über den zu betrachtenden Gegenstand in die Haare bekommen.

1.2. Gegenstandesbildungen der Psychologie.

Die Psychologie – so wurde herausgestellt – gibt es nicht. Jede Psychologie untersucht die Gegenstände, von denen sie glaubt, dass sie etwas mit dem von ihr so gesehenen Seelischen zu tun haben. Die Frage ist nun, wie wir entscheiden können, ob die eine oder die andere Psychologie, stimmt‘? Eigentlich nur daran, indem wir untersuchen, ob und wie diese Psychologie die drei grundlegenden Fragen der wissenschaftlichen Psychologie untersuchen. Diese drei Grundfragen sind die Fragen nach der Einheit, der Richtung und dem Zusammenhang.

Die Einheiten fragen danach, ob eine Psychologie berücksichtigt, dass es verschiedene „Sorten“ des seelischen Geschehens gibt, d. h., wie erklärt eine bestimmte Psychologie, dass es voneinander ab-gehobene Phänomene wie Trauer, Wut, Freude, Langeweile etc. gibt?
Die Frage nach der Richtung beschäftigt sich damit, wie sich die verschiedenen Einheiten auseinander entwickeln, sie fragt danach, wie aus Freude Trauer oder aus Langeweile Spannung werden kann.
Der Zusammenhang schließlich bezieht sich auf die Frage von umgreifenden, sinnstiftenden Komplexen.

Als etwas anschaulicheres Beispiel können zwei völlig unterschiedliche Psychologie-Schulen betrachtet und untersucht werden, wie diese Psychologie diese Grundfragen innerhalb ihrer jeweiligen Schulen beantworten.

Da ist zunächst der Behaviorismus, der sich (im positivistischen Sinne) ausschließlich mit dem sichtbaren „objektiven“ Verhalten beschäftigt. Aus dieser Sicht vom seelischen Geschehen entwickelte sich die Theorie, dass alles Verhalten aus bestimmten Reaktionen auf bestimmte Reize besteht. Wenn ich auf einen bestimmten Reiz (stimolous) reagiert (response) habe, verändert sich damit meine Umwelt und ich werde neuen Reizen ausgesetzt, die neue Reaktionen hervorrufen (1. Schritt: S1 – R1; 2. Schritt: S2 – R2 usw.). Der Zusammenhang zwischen verschiedenen Reizen und den daraus folgen-den Reaktionen wird durch Lerngesetze hergestellt, d. h., ich lerne im Laufe meines Lebens, auf bestimmte Reize immer gleich zu reagieren.

Als 2. Theorie, sehen wir uns die Individualpsychologie A. Adlers an. ADLER geht davon aus, dass der Mensch als Kind völlig hilflos in die Welt geworfen wird. Wegen dieser Erfahrung versucht er, diese Hilflosigkeit abzubauen, indem er sich die Welt immer mehr aneignet. Als Einheiten wählt die Individualpsychologie dementsprechend Einheiten, die mit, möchten „anstreben“ etwas zu tun haben. Die Richtung der weiteren Entwicklung ist dadurch bestimmt, dass der Mensch „Erfolge“ und „Anerkennung“ erreichen will. Um dies zu erlangen, stellt er sich einen (unbewussten), Lebensplan‘ auf, wobei der Lebensplan den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Kategorien des Seelischen stiftet.

In eine etwas übersichtlichere Form gebracht, sieht das folgendermaßen aus:

 BehaviorismusAlfred Adler
EinheitS – RWollen, anstreben
RichtungS1 – R1 – S2 – R2Erfolg, Anerkennung
ZusammenhangLerngesetzeLebensplan

Wie man sehen kann, beantworten beide Psychologie Schulen die drei Grundfragen, aber jede auf ihre Weise. Dies wiederum ist durch den Gegenstand bestimmt, den die Psychologie-Schulen untersuchen, aber indem sie diesen Gegenstand auf ihre Weise betrachten, bilden sie ihn gleichzeitig auch immer wieder neu. Weiterhin kann also auch gesagt werden, dass keine der Psychologie-Schulen falsch oder richtig ist, sie beschreiben nur völlig unterschiedliche Sichtweisen vom Seelischen (es ist klar, dass die beiden „Schulen“ hier keineswegs vollständig dargestellt wurden).

3. bekannteste Vertreter z. B. B.F. SKINNER, *1904 respektive I.P. PAWLOW, 1849 – 1936
4. österreichischer Arzt und Psychoanalytiker, 1870 – 1957

Im Prinzip können auch wir mit unserer „Alltagspsychologie“ die drei Grundfragen beantworten. Denken Sie an folgendes Beispiel: ein Heimbewohner kommt mit allen Anzeichen des Zorns und mit erhobenem Stock auf uns zu. Die Einheit, die wir hier wählen, ist die „Aggression“. An die Richtung denken wir, wenn wir die Aggression damit erklären, dass „der immer so ist, wenn sein Sohn da war“ und dass, er sich wieder beruhigt, wenn man ihm ein Stück Schokolade anbietet‘. Den Zusammenhang schließlich stellen wir her, wenn wir meinen, dass, der früher aber nicht so war, jedoch das AH macht eben so etwas aus den Leuten‘.

Nun unterscheiden sich die Alltagstheorien von den wissenschaftlichen Theorien dadurch, dass die wissenschaftlichen Theorien nachprüfbar und nachvollziehbar sein müssen. D. h., eine wissenschaftliche Behauptung muss es sich gefallen lassen, dass sie auch von anderen Wissenschaftlern überprüft wird; sollte dies nicht gelingen, bleibt sie auch nur eine Behauptung. Damit also Wissenschaft eine Wissenschaft wird, muss sie sich bestimmter Methoden bedienen, mit deren Hilfe sie zu bestimmten Aussagen kommt.

Und genau hier unterscheidet sich die wissenschaftliche von der alltäglichen Psychologie: Die Alltagspsychologie hat zwar auch ihre Methoden, sie sind jedoch nicht nachprüfbar und bleiben deshalb auch nur Meinungen (denken Sie daran: falls Sie von jemandem behaupten, dass der sie doch nicht mehr alle hätte, dann mag das zwar stimmen, es ist aber nicht überprüfbar).

1.3. Methoden der Psychologie.

Im Prinzip kennt die Psychologie lediglich zwei große Methodenblöcke: die quantifizierenden und die qualitativen Methoden. Innerhalb der Methoden gibt es noch eine Vielzahl der unterschiedlichsten Verfahren. Ein kleiner Überblick zeigt, dass einige der Verfahren in beiden Methoden zur Anwendung kommen können, andere hingegen auf eine der Methoden beschränkt bleiben:

quantitativqualitativ
ExperimentExperiment
StatistikBeschreibung
BeobachtungBeobachtung
FragebögenTiefeninterviews
quantifizierende Testsqualitative Tests
TierversucheErleben Beschreibungen

Diese Liste erhebt natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wir werden nun ein Verfahren unter die Lupe nehmen, das von beiden Methoden angewandt wird: das Experiment. Ein Experiment, so sagt die Definition, ist eine wissenschaftliche Versuchsanordnung unter kontrollierten Bedingungen. Die Bedingungen (auch Variablen genannt) implizieren, dass eine Situation, die in einem Experiment untersucht wird, aus einer bestimmten Anzahl von Variablen besteht: Situation = V(ariable)1 + V2 + V3 + … + Vn.

Idealerweise kann man die Bedingungen so kontrollieren, dass bei den gleichen Experimenten immer gleiche Ergebnisse herauskommen. Man kann jedoch auch bestimmte Variable verändern und jetzt die Veränderung der Ergebnisse untersuchen: ändert sich etwas, so scheint diese Variable etwas an der Gesamtsituation zu verändern (was genau kann allerdings nicht gesagt werden).

Wir als Beispiel soll das Milgram Experiment dienen (S. Milgram, amerikanischer Sozialpsychologe):
Milgram versuchte mithilfe dieses Experiments, dem Phänomen des Gehorsams auf die Spur zu kommen. Da es in verschiedenen Ländern durchgeführt wurde und immer zu ähnlichen (erschreckenden) Ergebnissen kam, erlangte es auch außerhalb von Fachkreisen eine gewisse Bekanntheit.

Es wurden mithilfe von Anzeigen, Versuchsleiter‘ gesucht, die angeblich die Aufgabe hatten, Versuchspersonen (Vpn) zu dem Komplex „Lernen unter Stress“ zu testen. Der Versuchsperson wurden Wörter vorgelesen, die sie zu wiederholen hatte. Antwortete sie falsch oder gar nicht, wurde sie mit Stromstößen bestraft. Die Stärke der Stromstöße reichte von einer harmlosen bis zu einer tödlichen Dosis und wurde bei jeder falschen Antwort erhöht.

Es stellte sich heraus, dass die wichtigste Variable die räumliche Nähe des Versuchsleiters zu der Versuchsperson war: befand sich das angebliche Opfer mit dem Versuchsleiter im gleichen Raum, verweigerten immerhin 2/3 der Versuchsleiter nach einer gewissen Zeit die Mitarbeit; befand sich die Versuchsperson nicht im Raum, lag die Abbruchquote lediglich bei 1/3.

Weitere, den Versuch beeinflussende Variable waren das Verhalten des das Experiment angeblich überwachenden Wissenschaftlers (drängte er die Versuchsleiter, war er autoritär oder freundlich etc.) oder die Räumlichkeiten, in denen der Versuch stattfand (eine Bruchbude oder ein „offiziell“ aussehendes Gebäude etc.).

Damit wurde also deutlich, dass die Variablen Nähe, Auftreten des Wissenschaftlers und Umgebung etwas mit Gehorsam zu tun hatten. Das erscheint einsichtig, das hätte sich Milgram auch schon vorher sagen können. Und genau das hat er auch getan, sonst hätte er nicht ausgerechnet diese Variablen variiert und andere konstant gehalten. D. h., Milgram bestätigte seine (Alltags)Theorien mit dem Versuch immer wieder, dabei ist er jedoch der Lösung des Rätsels Gehorsam nur wenig näher gekommen.

Denn immerhin gingen auch bei räumlicher Nähe 1/3 seiner Versuchsperson bis in den tödlichen Bereich, aber warum? Waren sie schlecht gelaunt an diesem Tag? Oder mit dem falschen Fuß aufgestanden? Konnten sie die angebliche Versuchsperson nicht leiden, weil die langen Haare hatte? All diese Fragen, die evtl. mehr über Gehorsam ausgesagt hätten, konnte Milgram mit seiner Versuchsanordnung nicht beantworten. Man kann also als Ergebnis dieses Experiments folgendes festhalten: Gehorsam ist, wenn jemand gehorcht.

Eigentlich dienen solche Experimente dazu, den sog. subjektiven Faktor zu eliminieren; das Problem dabei ist aber, dass dieser Faktor trotzdem eine entscheidende Rolle spielt, auch wenn man versucht, ihn zu ignorieren. Das Subjekt(ive) ist bei jedem Erleben Prozess beteiligt, es wird auch da sein, wenn es bei den Versuchen, offiziell, nicht vorkommt. Da es nicht ausgemerzt werden kann, muss es in jeder psychologischen Untersuchung mitberücksichtigt werden.

Das gilt nicht nur für die Versuchsperson, sondern natürlich auch für den Forscher selbst. Milgram hatte seine Vorannahmen bzgl. des Gehorsams, er hat diese seine Vorannahmen durch den Versuch bestätigen lassen. Damit werden die Vorannahmen aber weder objektiv noch weitergehend erklärt, also in eine Theorie eingebettet. Letztlich wird hier eine private Meinung (die ohne Weiteres richtig sein kann) bestätigt – mehr nicht.

Die Frage lautet also, wie man die Subjektivität in den Griff bekommen kann, wenn sie doch bei jeder Frage eine Rolle spielt? Nun – ganz – fach: – dem man sie nicht auszuklammern versucht, sondern man sich darüber klar ist, dass die Subjektivität dasjenige ist, was auf jeden Fall bei einem Versuch die entscheidende Rolle spielt. Man muss sich also darauf einlassen. Im

5. Auslöser für diese Untersuchung war die Tatsache, dass viele Nazi-Verbrecher sich auf den sog. Befehlsnotstand beriefen
6. Man könnte hier – etwas böswillig – sagen: „Die wirklich gute Versuchsperson erlebt nicht.“
Falle

des Milgram Experiments hätte man sicherlich mehr über Gehorsam gelernt, wenn man den subjektiven Faktor (also die Versuchsperson) direkt befragt oder interviewt hätte.
Wenn ein Phänomen durch eine psychologische Untersuchung erklärt werden soll, so muss die Psychologie analog eines Kreisprozesses vorgehen: Das Phänomen wird mithilfe der Methoden und ihrer Verfahren genau analysiert. Anschließend wird es in eine Theorie überführt, die wiederum zu Erklärungen führt. Hier indessen erfolgt der wichtigste Schritt: Die Erklärungen werden mit dem Phänomen verglichen, erst wenn sich das ganze Phänomen vollständig in den Erklärungen wiederfindet, ist die Untersuchung abgeschlossen.

Sollten noch „Reste“ des Phänomens ungeklärt bleiben, ist an der Untersuchung etwas falsch gelaufen. Auch der Trick, der von vielen forschenden Psychologen immer wieder angewandt wird. Nämlich zu sagen, dass die Reste irgendwann in Zukunft schon geklärt werden würden -, kann hier nicht zählen, denn man kann ja nie wissen, ob nicht ausgerechnet diese ungeklärten Reste das Wichtigste am ganzen Phänomen sind.

Der Zirkelschluss (oder der hermeneutische Zirkel), wie er hauptsächlich von der qualitativen Methode angewandt wird, sieht also folgendermaßen aus:

Erst wenn dieser Zirkelschluss richtig, funktioniert, kann man sicher sein, bei der Untersuchung richtig vorgegangen zu sein und seine Ergebnisse nicht aus Versehen seinen Vorannahmen angepasst zu haben. S. FREUD z. B. veränderte im Laufe der Jahre seine Theorie mehrere Male. Immer dann, wenn er auf neue Phänomene stieß, versuchte er nicht, diese seiner Theorie anzupassen, sondern er suchte so lange, bis er eine Theorie gefunden hatte, mit deren Hilfe er die Phänomene erklären konnte.

1.4. Qualitative und quantitative Methoden.

Der Hauptunterschied zwischen qualitativer und quantitativer Methode liegt in der Betrachtungsweise des Phänomens: qualitative Methoden versuchen einen ganzheitlichen Zugriff, während quantitative Methoden bestimmte Variablen herausheben und auflisten, in eine mathematisch-logische Form von, wenn – dann – Beziehungen‘ zu bringen suchen, wobei das Phänomen notgedrungen auseinandergerissen wird. Ganzheitlich bedeutet hier, dass wir von vornherein Zusammenhänge in dem Phänomen annehmen, die es, nur noch‘ herauszustellen gilt, damit wir zu Erklärungen kommen.

Dazu ein Beispiel: betrachten Sie sich einen Frosch (so einen kleinen, niedlichen, nicht einen großen, hässlichen). Dieser Frosch nun wird – natürlich im übertragenen Sinne – von den qualitativen Methoden beobachtet, beschrieben und, wenn dies möglich wäre, zu seinem Froschleben befragt. Danach kann man etwas über das, Prinzip Frosch‘ aussagen: Es hüpft, fängt Fliegen und ist zufrieden, wenn es einen Tümpel hat.
Die quantitativen Methoden würden jetzt den Frosch auf ihre Weise analysieren: Er würde auseinandergenommen, seziert. Man würde genau seinen Knochenbau untersuchen, seine Muskelströme messen, sein Gehirn begutachten. Auch die quantitativen Methoden kämen natürlich auf diese Weise.

7. österreichischer Arzt und Psychoanalytiker, 1856 – 1939

zu ihrem, Prinzip Frosch‘: sie würden feststellen, dass hier ein Sprung fähiges Wirbeltier vorläge, das sich – wie aus dem Mageninhalt geschlossen werden könnte – von Fliegen zu ernähren scheint. Leider jedoch ist von diesem phänomenalen Tier nicht viel übrig geblieben: lediglich eine etwas unappetitlich aussehende grünliche Anhäufung auf einem Edelstahltisch. Mit dieser Masse kann aber niemand mehr nachprüfen, ob es auch stimmt, was herausgefunden wurde: Der Frosch hat aus gehüpft.

Hier wird anschaulich, dass bei den quantitativen Methoden eine Synthese nicht geleistet wird. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Beweglichkeit der qualitativen Methode: Man kann beim qualitativen Vorgehen innerhalb einer, Sache‘ den verschiedensten Auffälligkeiten und Spuren nachgehen, ohne das System zu verletzen, während auf der anderen Seite bei den quantitativen Methoden relativ starre Raster vorherrschen, die auf Berechenbarkeit angelegt sind. So können z. B. durch Fragebögen die Leute, die nicht in die vorgegebenen Antwortschemata passen, auch nicht erfasst werden. Dagegen könnte man bei einem qualitativen Tiefeninterview einfach nachfragen und so auch diesen Phänomenen nachgehen.

Als Beispiele hierfür ein Interview, das zum Thema, Altern‘ gemacht wurde. Es zeigt die Beweglichkeit, die in den qualitativen Methoden, steckt‘. Man kann z. B. für die Versuchsperson unangenehme Themen erst einmal ruhen lassen und später nochmals aufgreifen und es ist möglich, zwei Verfahren miteinander zu kombinieren, man kann also während des Interviews auch eine Verhaltensbeobachtung durchführen.

Weiter lesen auf Seite 2 …

Weitere Quellen zur Einführung Psychologie
Einführung Psychologie

Kurzvorlesung „Einführung in die Psychologie“
Einführung in die Psychologie

Diesen Beitrag teilen auf...

Twitter Facebook