Erbrechen (Vomitus, Emesis)
Definition: Unter Erbrechen versteht man das rasche, kraftvolle Herausbefördern von Magen- oder Darminhalt durch den Mund. Es ist keine Krankheit, sondern als Symptom, als Schutzfunktion (Reflex)
Begleiterscheinungen
- Übelkeit:
- Ausdruck einer Drucksteigerung im MDT
- Meist mit dem Bedürfnis zu erbrechen
- meist starker Speichelfluss, Würgen
- Dysphagie: Schluckbeschwerden
- bei Achalasie: Unfähigkeit des Ösophagus bei Nahrungspassage zu erschlaffen
- bei Ösophagusspasmus
- Reflux: Zurückfließen von Mageninhalt in den Ösophagus (Refluxösophagitis) ohne Würgen
- Regurgitieren: Zurückfließen von Nahrung aus dem Ösophagus in den Mund bei einer Ösophagusstenose, -divertikel
- Pyrosis : Sodbrennen
- Autophagie: Luftschlucken
- Ructus: Aufstoßen (Luft entweicht aus dem Magen)
- Singultus: Schluckauf (durch Reizung des Zwerchfells, unwillkürliches krampfartiges Zusammenziehen des Zwerchfells)
- Tachykardie/Bradykardie: Kopfschmerzen, Schwindel
- Blutdruckschwankungen: dadurch Schwindel, Kälte-/Hitzegefühl
- Weite Pupillen
Inhaltsverzeichnis
Schluckakt
Physiologie des Schluckens
- Schlucken wird über Nase und Augen stimuliert› appetitliche Präsentation des Essens
- gesunder Mensch schluckt ca. 2000-mal täglich
- Schutzreflexe: Hustenreflexe und Schluckreflexe
Schlucktakt
Im Mesopharynx kreuzen der Atem- und der Speiseweg; der Schluckakt verhindert, dass Speisen in die Luftwege gelangen „Verschlucken“.
Orale Vorbereitung Kauphase
Speichel und mechanische Zerkleinerung bringen Nahrung in „Schluck form“
Orale Transportphase: (willkürlich)
- Transport in den hinteren Rachenraum durch wellenförmige Bewegung der Zunge, der Mundboden wird kontrahiert, der Bissen wird von der Zunge gegen den weichen Gaumen (Gaumensegel) gedrängt.
- Nächste Phase wird durch Rezeptoren im Gaumen ausgelöst
Pharyngeale Phase: (reflektorisch)
- Gaumensegel wird angehoben und angespannt
- obere Schlundschnürer kontrahiert sich und bildet eine Wulst, dem sich das Segel anlegt. › Der obere Luftweg ist verschlossen.
- Durch Kontraktion des Mundbodens werden Zungenbein und Kehlkopf sichtbar und tastbar gehoben. Der Kehldeckel wird gesenkt› Stimmritze wird verschlossen (Atemstillstand)› Der untere Atemweg ist verschlossen.
- › Eintritt der Nahrung in die Speiseröhre
Ösophageale Phase: (reflektorisch)
Transport des Bissens durch den Pharynx in den Magen durch die Zunge und das Zusammenspiel der beiden unteren Schlundschnürer (Kontraktion)
Vorgang des Erbrechens
- Brechvorgang wird gesteuert durch das verlängerte Rückenmark
- Reizsignal löst den Reflex aus (normalerweise nicht manipulierbar) meist geht Übelkeit, Speichelfluss. Bradykardie/ Tachykardie, Blässe, Schweißausbruch und eine verlangsamte Atmung voraus.
- Erschlaffung des Magentonus (Magenspannung) und Würgen
- Tiefe Einatmung und Verschließung der Stimmritze
- Weicher Teil des Gaumens wird angehoben und Ösophagus erschlafft
- Mageneingang erschlafft, Pylorus (Magenpförtner) verkrampft
- Einsetzen einer rückläufigen/orale Ösophagus-Peristaltik
- Transport des Mageninhaltes in Richtung Mundhöhle
- Kontraktion des Zwerchfells und die Bauchpresse unterstützen den Brechvorgang
› Bewusstes, tiefes Atmen kann den Brechreiz unterdrücken
Gefahren und Folgen von wiederholten Erbrechen
- Aspirationsgefahr
Gefahr, dass Nahrungsreste in die Lunge kommen (normalerweise bei einem gesunden Menschen Trachea durch Kehldeckel verschlossen)
Bei bewusstseinsgetrübt Menschen: Absauggerät, stabile Seitenlage
- Ösophagitis (Bsp.: Bulimie)
- Flüssigkeitsmangel (Exsikkose, Dehydration) besonders bei Kindern
- Elektrolytverlust (Natrium, Kalium)› Herzrhythmusstörungen
- Minderversorgung von lebenswichtigen Nährstoffen
- Bei Diabetikern: Stoffwechselentgleisung
- Erschöpfung, ausgeprägte Muskelschwäche, frieren, frösteln
Formen
- Akutes Erbrechen: Auftreten innerhalb von Minuten bis 3 Stunden. Dauer bis zu 24 Stunden.
- Verzögertes Erbrechen/ protrahiertes Erbrechen: Auftreten erst über 24 Stunden bis 7 Tagen (Bsp.: Appendizitis)
- Persistierendes Erbrechen: immer wiederkehrendes Erbrechen über mehr als 24 Stunden anhaltendes Erbrechen
- Antizipatorisches Erbrechen: vorwegnehmendes erbrechen
- Selbst herbeigeführtes Erbrechen: (Bsp.: Bulimie, Vergiftungen)
- Psychogenes Erbrechen: durch Stress, Angst …
- Ursachen des Erbrechens
- Zerebrales Erbrechen: direktes Erbrechen:
direkte Einwirkung auf das Brechzentrum des verlängerten Rückenmarks
Erbrechen: plötzlich und im Schwall, ohne Begleiterscheinungen und Vorankündigung
Ursachen:
- Hirndruckerhöhung
- SHT
- Zerebrale Blutungen
- Gehirntumor
- Migräne Meningitis
- Zentral toxische Wirkung bei
- Alkohol
- Zytostatika
- Andere Medikamente
- Drogen
- Hormone (Bsp.: Schwangerschaft)
- Peripheres Erbrechen: indirektes oder reflektorisches Erbrechen:
indirekte Einwirkung über das vegetative Nervensystem› Reizung des Vagusnerven
mit Promordi (Vorboten), meist Übelkeit vorher
Ursachen
- Emotionale Reize
- Angst
- Ekel
- Trauer
- Stress
- Sinnesreize
- Gerüche
- Durch Augen
- Ohr
- Geschmack
- Erkrankungen des MDT
- Gastritis (Magenschleimhautentzündung)
- Magenausgangsstenose, Pylorusstenose
- Ileus
- Manipulation (OP) im Bauchraum (Druck wird erhöht)
- Appendizitis
- Mechanische Reizung
- Schlag von Außen
- Gastroskopie
- Reizung des Innenohres
- Busfahren
- Seekrankheit
- Achterbahn
Aufgaben des Pflegepersonals
Pflege
- Brechschale, Nierenschale
- Orientierte Menschen: Aufrichten, Sitzposition
- Bewußtseinsgetrübte Menschen: Seitenlage
- Frische Luft
- Handtuch zum Schutz von Kleidung und Bett
- Zellstoff
- Kopfabstützen, u. U. Nacken, Stirn stützen
- Psychische Unterstützung:
- Nicht allein lassen
- Beruhigen einwirken
- Panik vermeiden
- Patienten haben Angst, fühlen sich elend, Erbrechen ist ihnen peinlich
Nachsorge
- Mundpflege nach Erbrechen anbieten (Mund ausspülen lassen, Zähne putzen.)
- Bettwäsche wechseln
- Kleidung wechseln
- Körperpflege
- Ersetzen der Tabletten?
- Insulin?
- Vitalzeichen Kontrolle
- Patienten lagern
- Erbrochenes evtl. aufheben und Arzt zeigen
- bei Vergiftungen: Erbrochenes aufheben› Toxikologische Untersuchung
- Dokumentation
Beobachtungskriterien
Die Beobachtung ist für eine Diagnose essenziell
Form:
- im Schwall, explosionsartig (SHT)
- würgend (bei Schwangerschaft, Reisekrankheit)
- Spuckend (Regurgitieren)
- Schlaff, fließend (bei fehlendem Brechreflex)
Menge
Konsistenz:
- Dünnflüssig
- Schleimig
- Geronnen
- Faden ziehend
- bröckelig
Häufigkeit
Zeitpunkt:
- Uhrzeit
- Bezug zu den Mahlzeiten?
- Nüchtern
- Vor den Mahlzeiten
- Während der Mahlzeiten
- Unmittelbar nach Nahrungsaufnahme
- X-Zeit später nach Nahrungsaufnahme
- Nur nach bestimmten Speisen
- Unabhängig von der Nahrungsaufnahme
- Bei jeder Mahlzeit
- gleichzeitig mit Diarrhö?
Auftreten von anderen Phänomenen
- Puls Verlangsamung (SHT)
- verschieden Krankheiten
Farbe: je nach Essensbestandteile
- Schleimig, klar: Magenschleimhautentzündung
- Grünlich, gelblich: Beimengungen von Gallensaft aus Duodenum› Arzt
- Hellrot: frisches Blut im Magen/ Ösophagus/Pharynx› Arzt
- Dunkelrot:
- Kaffeesatz artiges Erbrechen durch alte Magenblutungen, Blutungen im unteren Verdauungstrakt
- Blut geschluckt Bsp. Bei Mandel OP.
- Bräunlich: Kot erbrechen bei Ileus (Darmverschluss)› Miserere
Geruch: je nach Essen
- Säuerlich
- Kotig
- Gallig
- Faulig: Essensreste vom Vortag (› Stenosen)
Beimengungen
- Angedaute Speisen: bei Stenosen
- Unverdaute Speisen: Ösophagusdivertikel
! Merke! Essensreste: müssen Medikamente oder Insulin nachgegeben werden?