Die Schizophrenien
Vorwort
In dem Zeitraum, in dem ich diese Facharbeit verfasste, war ich in einem Wohnbereich für schwer führbare Heimbewohner des XXXXXXXXX Fachkrankenhauses für Psychiatrie und Neurologie XXXXXXXXX – Heimbereich – tätig. Die vorherrschenden Krankheitsbilder waren die chronisch verlaufenden Schizophrenien, vorwiegend die paranoid – halluzinatorische Form. Die Eigenheiten der Heimbewohner und der nicht gerade leichte Umgang mit ihnen haben mich dazu bewogen, mich mit diesem Thema näher auseinanderzusetzen. Vor allem wollte ich die Ursachen verstehen, warum sich Menschen gerade so verhalten. Zur Erläuterung verschiedener Phänomene des Krankheitsbildes und zur Betreuung habe ich mich bemüht, selbst erlebte Fallbeispiele zuzuordnen und eigene Beobachtungen in die Fakten eingeflochten.
1. Übersicht und Allgemeines zu den Schizophrenien.
Inhaltsverzeichnis
1.1. Geschichte, Definition und Abgrenzung des Begriffes Schizophrenie
Infirme Menschen, die ohne (mit den Methoden ihrer Zeit) erkennbare Hirnkrankheit in Leid und Versagen geraten waren, die als Störungen des Gemütes, des Geistes, Verstandes, der Freiheit, des Willens galten. Gibt es nicht erst seit der „modernen industrialisierten Zivilisation“, wie manche meinen. Die „gespaltene Seele“ galt schon früher als die Geisteskrankheit schlechthin. Eine der frühesten Beschreibungen findet sich von 1400 v. Chr.
W. Shakespeare formulierte in seinem „Macbeth“: `…mit einer Methode im Wahnsinn nach und nach eine Welt von Bildern an die Stelle der Wirklichkeit setzen…`
Im späten 18. Jahrhundert und zu Beginn des 19. Jahrhunderts findet man eine Fülle von Schriften mit zahlreichen Beschreibungen klinischer Zustandsbilder, in denen wir das wiederfinden, was wir heute dem Begriff Schizophrenie zuordnen würden.
Weinrot und Idealer sprachen 1838 von einer „Krankheit der ganzen Person“, Fechterleben prägte 1845 den Begriff „Persönlichkeitskrankheiten“ von Kraepelin stammt die Bezeichnung „Dementia praecox“ ab 1893. Das heißt so viel wie früh erworbener, geistiger Abbau – was aber nicht stimmt, wie man heute weiß. Die Geschichte der Medizin kennt noch viele Namen für die Schizophrenie: Spaltungsirresein, Dummheit, Torheit oder Pubertät, Wahnsinn.
Um die Fülle der Bezeichnungen in den Griff zu bekommen, suchte man nach Kriterien der Ähnlichkeit der Zustandsbilder (Syndrome) und nach den Gemeinsamkeiten des Verlaufes. Eugen Bleuler gilt seit 1908 als der Taufpate des Begriffes „Gruppe der Schizophrenien“. Gemeint war damit eine Trennung oder Spaltung des Geistes und Bewusstseins sowie psychischer Funktionen: ein Nebeneinander von gesunden und kranken Verhaltensweisen.
Bleuler unterscheidet zwischen Grundsymptomen und Nebensymptomen.
› Die Grundsymptome beschreibt er wie folgt:
- Störung des Assoziierens (Gedankenzusammenhänge erfassen)
- Störung der Affektivität (gemütliche Verblödung)
- Ambivalenz (Patient ist hin – und hergerissen, kann sich nicht entscheiden, das Denken und das Handeln sind ziellos)
- Autismus (der Kontakt mit der Umwelt wird abgebrochen, der Kranke zieht sich in sich zurück)
- Störung des Willens und des Handelns
› Die Nebensymptome sind:
- Sinnestäuschungen (Halluzinationen meist akustischer Art, Wahnideen)
- Gedächtnisstörungen (Patient kann sich an verschiedene Dinge nicht mehr erinnern)
- katatone Symptome (übermäßig produzierte Körperenergie lässt Spannungszustände entstehen)
- Störungen der Schrift und der Sprache (Sprachzerfall)
› Der Begriff Schizophrenie kommt aus dem Griechischen:
schizein, also spalten und phren – das Zwerchfell, wo man in der Antike Geist und Seele beheimatet sah.
› Nach ICD sind Schizophrenien:
- Eine Gruppe von Psychosen mit tiefgreifender Persönlichkeitsstörung und charakteristischen Denkstörungen.
Die Erkrankung geht einher mit Wahnideen (Paranoia) und einer gestörten abnormen Affekt und Autismus. Im Allgemeinen bleiben ein klares Bewusstsein und die intellektuellen Fähigkeiten erhalten.
Doch selbst bei der Definition gibt es verschiedene Lehrmeinungen – heute genauso wie damals.
K. Schneider meint: ergibt Merkmale, die man Schizophrenie nennt.“ Diese Symptome heiße ich Schizophrenie.“ Die Merkmale unterteilt Kurt Schneider Symptome I. und II. Ordnung.
Die Symptome I.Ordnung sind seiner Ansicht nach:
- die Störung des Affektes und des Kontaktverhaltens (Affektverschiebung, der Affekt ist losgelöst von der Situation)
- die Denkstörung (Zerfahrenheit, Gedanken laut werden, Gedankendrängen, Gedankensperrungen)
- Hören von Stimmen mit präzisem Inhalt, also Rede und Gegenrede
- Stimmen, die Handlungen begleiten
- Gedankenentzug und andere Gedankenbeeinflussungen
- Fremdbeeinflussung (äußere Beeinflussung, Ich – Grenzstörung)
› Die Symptome II. Ordnung:
Hierunter zählt K. Schneider die Sinnestäuschungen, Wahneinfälle, Ratlosigkeit und depressive Verstimmtheitszustände.
Eine weitere Definition besagt:
Der Schizophrenie Begriff ist eine Konversion (Vereinbarung) über eine Reihe von Kriterien.
1.2. Erkrankungsrisiko
Das Erkrankungsrisiko ist überall auf der Welt gleich. Schizophrenie ist eine Krankheit, die meist mit Armut, sozialer Isolierung, Perspektivlosigkeit und Entwurzelung verbunden ist. Prinzipiell liegt die Anlage in jedem Menschen. Etwa einer von hundert leidet darunter so stark, dass er irgendwann in seinem Leben mit der Psychiatrie in Berührung kommt. Damit ist diese Störung die häufigste Psychose überhaupt.Frauen und Männer sind annähernd gleich betroffen. Der Ausbruch des Leidens ist eigentlich in fast jedem Lebensalter möglich. Allerdings scheint es bestimmte Schwerpunkte zu geben, und zwar je nach Geschlecht. Schon vor 100 Jahren viel auf, dass Frauen mehrere Jahre später erkranken, als Männer.
Beim männlichen Geschlecht liegt der Zeitpunkt des Krankheitsausbruches meist zwischen dem 15. und 24. Lebensjahr. Rückblickend kann man aber bei nicht wenigen Patienten die ersten Symptome schon um das 10. Lebensjahr herum registrieren. Bei den Frauen findet sich ein erster flacher Anstieg des Erkrankungsrisikos zwischen dem 20. und 29. Lebensjahr und ein Zweiter zwischen dem 45. und 50. Lebensjahr. Hier hat das weibliche Geschlecht dann aber auch ein dreifach erhöhtes Erkrankungsrisiko.
1.3. Krankheitsentstehung und Krankheitsverlauf
Eine Schizophrenie ereilt einen Menschen nicht plötzlich, wie etwa ein Schlaganfall. Vielmehr ist es ein längerer, ein schleichender Prozess, den der Kranke durchmacht. Genau genommen verläuft die Krankheitsentstehung in fünf Phasen, die mehr oder weniger ineinander übergehen.
Einem Menschen ist plötzlich seine Umwelt nicht mehr vertraut, sie kommt ihm verändert vor. Und genau hier beginnt die erste Krankheitsphase – das Trema: Irgendetwas liegt in der Luft, der Patient kann depressiv verstimmt sein. Er ist erfüllt von Unruhe, Angst und allgemeiner Verunsicherung. Seine Angst und Unsicherheit kann der Patient nicht benennen, er empfindet es vielmehr wie eine Vorahnung, dass etwas Unbestimmtes auf ihn zukommt.
In dieser Krankheitsphase besteht erhöhte Suizidgefahr – eben aufgrund der Angst und der Ungewissheit.
Nach und nach lockern sich die Gedankengänge auf – der Patient befindet sich in der zweiten Phase, der sogenannten Apophänie. In Vorgängen, Gespräche, Tätigkeiten u.s.w. werden völlig abnorme Bedeutungen interpretiert. Plötzlich sieht er sich in einem Zentrum von Machenschaften (Zentrismusgefühl). Alles dreht sich um „mich“… Der Kranke wird sich selbst fremd, doch er weiß nicht, dass er an einer Psychose erkrankt ist. Der Kontakt zur Umwelt wird zwar geändert, aber der Intellekt bleibt bestehen. Viele Schizophrene sind kreative Künstler, Maler etwa oder Dichter – ein berühmtes Beispiel ist Friedrich Hörderlin. Die Wahngedanken und Wahnwahrnehmungen nehmen zu und treten deutlicher in den Vordergrund.
Man spricht von einer Plussymptomatik, da hier ein „Mehr“ an Denken und Fühlen auftritt. Dabei tragen sicher viele Wahnvorstellungen einen Kern von Wahrheit in sich. So mag etwa die Vorstellung falsch sein, vom Nachbarn verfolgt zu werden, aber dass der Nachbar mit kleinen Bosheiten quält, kann durchaus Realität sein. Die Freunde werden nicht mehr als Freunde erkannt, da ja auch sie in die Machenschaften verstrickt sind, die gegen „mich“ gerichtet sind. So beginnt schon hier der Autismus, der Rückzug aus der sozialen Umwelt.
Doch die Krankheit steigert sich noch. Mit der apokalyptischen Phase erreicht sie ihren vorläufigen Höhepunkt: Dies ist das Stadium des Sprachzerfalles, des Zerfalles des Denkens, der Zerfahrenheit. Zustände schwerer Angst und rauschhaft gehobener Stimmung wechseln einander ab. Auch können sich hier schwerste katatone Symptome zeigen. Dies ist meist der akute Zustand, in welchem der Patient zur Aufnahme in ein Krankenhaus kommt.
In der Phase der Konsolidierung lässt der schwere Sprachzerfall meist wieder nach. Dem Patienten geht es wieder besser, er kommt wieder zu der Überzeugung: „nicht ich stehe im Mittelpunkt“. Man bezeichnet dies auch als „kopernikanische Wende“.
Die fünfte und letzte Phase der Erkrankung ist der Residual zustand. Solche Menschen findet man dann meist als Heimbewohner in Pflegeheimen wieder. Das energetische Potenzial geht verloren, der Kranke besitzt eine ungenügende Willenskraft. Dadurch ist auch der Antrieb zu Verrichtungen des alltäglichen Lebens stark herabgesetzt. Außerdem ist er abgestumpft, er kann sich nur schwer und nicht längere Zeit konzentrieren und ist schnell erschöpft. Man spricht hier auch von einer Minussymptomatik – es steht also ein „Weniger“ an Antrieb und Interesse im Vordergrund. Er zieht sich zurück, vernachlässigt Aussehen, Kleidung, Beschäftigungen und soziale Kontakte.
Hinzufügen möchte ich noch, dass nicht jeder Erkrankte alle diese Phasen während des Krankheitsverlaufes durchlebt.
1.4. Verlaufsformen und Prognose der Schizophrenie
Sie können akut und dramatisch auftreten oder schleichend, für Außenstehende kaum feststellbar. Im Wesentlichen unterscheidet man folgende Verlaufsformen:
- Die schizophrene Episode tritt einmal im Leben auf. Rückfälle oder eventuelle Spätfolgen bestehen nicht. Nach Ausheilung der Erkrankung lebt der Betreffende ganz normal weiter wie vor dem Krankheitsausbruch.
- Beim phasenhaften Verlauf tritt die Krankheit beliebig oft im Leben des Betreffenden auf, heilt aber zwischendurch immer wieder aus, sodass derjenige in „krankheitsfreien Abschnitten“ ganz normal leben kann.
- Bei den Krankheitsschüben gibt es keine Ausheilung, der Patient erreicht nie wieder den normalen Ausgang, ein normales Leben wie vor der Krankheit. Die Intensität der Psychose schwankt hingegen – ähnlich einer Wellenform. Die Suizidgefährdung solcher Menschen ist meist erhöht – besonders am Anfang und am Ende eines Schubes.
- Die unheilbare Verlaufsform verläuft chronisch, bleibt in ihrer Intensität konstant erhalten oder verschlimmert sich in einigen Fällen langsam.
Etwa ein Drittel der Betroffenen erfahren eine Heilung ohne spätere Folgen, auch sind Spontanheilungen möglich. Ein weiteres Drittel hat wiederholt Krankheitsepisoden mit leichten oder keinen Behinderungen und beim letzten Drittel ist die Psychose chronifiziert, einhergehend mit andauernden Behinderungen und Persönlichkeitszerfall.
1.5. Die Rückfallgefahr bei Schizophrenie
Die Anlässe für einen Rückfall sind nicht so sehr krankheitsspezifisch, sondern richten sich eher nach dem jeweiligen Individuum, seiner Persönlichkeitsstruktur, seinen Nöten, zwischenmenschlichen Problemen. usw. Sie sind also subjektiv und können deshalb nur schwer von außen beurteilt und schon gar nicht verallgemeinert werden.
Häufig sind es Verlusterlebnisse im zwischenmenschlichen Bereich, z. B. Tod, schwere Erkrankungen, Trennung, Scheidung, ferner Umzug, Verlassenwerden, welche Anlässe für einen Rückfall darstellen.
Auch langwierige, zermürbende Auseinandersetzungen auf familiärem, partnerschaftlichem, oder sonstigem Gebiet wären ein Anlass oder vielleicht. Daneben belasten auch körperliche Auslösefaktoren wie Überforderung, Erschöpfung, Operationen, Erkrankungen, besonders Schlafmangel, Alkoholexzesse, Drogenkonsum und anderes.
Es können aber auch Belastungen sein, die jedermann und zu jeder Stunde hinnehmen muss. Dazu gehören nicht nur ungewöhnliche, unerwartete oder vielleicht auch nur neue Anforderungen in Familie, Beruf, Nachbarschaft. Es können auch zu große Dichte oder Nähe zu anderen Menschen sein – also Trubel und Rummel. Ferner optische oder akustische Stimulationen wie Plakat – oder Leuchtreklame – Werbung.
Alles Dinge, die der Gesunde als gewohnt, höchstens aber als lästig empfindet.
Doch wie kündigt sich ein schizophrener Rückfall an? Worauf sollte man achten? Ein Rückfall kann zwar plötzlich auftreten, aber meist hat man dann die Vorzeichen übersehen.
Die meisten dieser „Warnsymptome“ sind eher unspezifisch und keine psychotischen Krankheitszeichen. dazu gehören beispielsweise angespannt sein, Nervosität, Merk – und Konzentrationsstörungen, innere Unruhe, Schlafstörungen, Gedächtnisstörungen.
› Die bereits wieder psychotischen Symptome im Rahmen eines drohenden Rückfalles sind nun:
- ängstliche Unruhe, Spannung, Nervosität
- Der Betroffene wird immer humorloser, legt jedes Wort auf die Goldwaage.
- eine wachsende Reizbarkeit, ja Aggressivität
- Der Kranke kann sich über Kleinigkeiten aufregen, das ganze wächst zu einer Art reizbarer Schwäche und Hilflosigkeit.
- Gemütsstörungen können auftreten
- kognitive Beeinträchtigungen werden deutlicher (Konzentration, Merkfähigkeit lassen spürbar nach)
- körperliche Beeinträchtigungen wie Schlafstörungen bis zur völligen Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, Bewegungsstörungen
- auffälliges Verhalten wie rastloses Umherwandern oder die Verweigerung von Nahrung
- Rückzug und Isolation
1.6. Die Formen der Schizophrenie
Eugen Bleuler sprach von einer Gruppe der Schizophrenien. Damit ist schon angedeutet, dass die Krankheit verschiedene Formen bietet. Unterschieden werden diese nach der unterschiedlichen Ausprägung der Symptome. Erwähnen möchte ich hier die vier bekanntesten Formen, wobei auch hier wieder verschiedene Lehrmeinungen existieren, die manche Formen teilweise zusammenfassen, oder anders bezeichnen.
Die wohl bekannteste Form ist die paranoid – halluzinatorische Schizophrenie. Wie dem Namen zu entnehmen, ist sie vor allem durch ausgeprägte Wahn – und Halluzinationssymptomatik geprägt.
Die hebephrene Form, auch meist als Hebephrenie bezeichnet, beginnt meist im jugendlichen Alter. Ihre Kennzeichen sind besonders Veränderungen im affektiven Bereich, wie z. B. eine läppische Gestimmtheit. Die Prognose ist häufig ungünstig.
Bei der katatonen Form oder Katatonie stehen psychosomatische Störungen im Vordergrund. Es liegen hier zwei Extreme vor: die hochgradige Erregung und der Stupor, also die Erstarrung.
Die Schizophrenia simplex entwickelt sich langsam ohne deutliche Ausprägung typischer Symptome wie Wahn oder Halluzinationen. Die Grundsymptome entwickeln sich über viele Jahre hinweg und der Erkrankte verliert an Leistungsvermögen, Initiative und Kontaktfreudigkeit.
1.7. Störungen bei schizophrenen Erkrankungen
Unter welchen Funktionseinschränkungen und Störungen leiden nun schizophrene Menschen?
Die Informationsverarbeitung ist gestört, das heißt Prozesse der Zuordnung, die Verknüpfung und Verwertung von Informationen verlaufen abnormal.
Die Selektion wichtiger und unwichtiger Reize ist gestört. Es entsteht eine Reizoffenheit und damit eine große Empfindlichkeit des Patienten – er fühlt sich zum Beispiel oft angesprochen und ist sehr misstrauisch. Wichtige und unwichtige Sachen können nicht getrennt werden.
Die Aufmerksamkeit auf eine bestimmte Sache ist oft stark reduziert. Die Reizerkennung ist gestört, ebenso wie die Reizzuordnung und das Erkennen ihrer Bedeutung. Die Folge ist, dass der Patient schneller ermüdet. Die Denkvorgänge lassen sich nicht mehr leiten. Die Gewohnheitshierarchie geht verloren. Den Patienten verunsichern daher ungewohnte Abläufe im realen Leben. Außerdem kommt es zum Verlust des allgemeinen energetischen Potenzials, was zum sozialen Rückzug und zur Interessenlosigkeit führt. All dies nennt man Basisstörungen, von denen wiederum andere Störungen abhängen
1.8. Ursachen und Entstehung von Schizophrenien
Die Frage nach den Ursachen der Schizophrenie ist noch nicht endgültig beantwortet. Es ist aber heute gesichert, dass nicht eine Ursache für die Erkrankung verantwortlich ist, sondern dass mehrere Ursachen zusammenkommen – man spricht auch von einem Faktoren bündel, welches auf den Patienten eingewirkt und somit die Krankheit ausgelöst hat. Die Aufklärung der Zusammenhänge zwischen Genen und Schizophrenie ist eine lange Geschichte.
Der amerikanische Psychiater K. Kendler versuchte mit vielen anderen Forschern diesem Zusammenhang auf die Spur zu kommen.
Nach langen und aufwendigen Untersuchungen – so etwa DNA – Analysen – fand man gewisse Unterschiede zwischen gesunden und erkrankten Menschen.
Bestimmte Strukturen auf dem Chromosom 6 sind bei Kranken gehäuft und darüber hinaus fand man Auffälligkeiten bei weiteren Chromosomen.
Der Kieler Wissenschaftler Hans Moises meint: „Schizophrenie muss man nun eher mit allgemeinen Merkmalen vergleichen, etwa der Körpergröße.“
Die Zwillingsforschung soll gegenwärtig die beste Möglichkeit darstellen, die Bedeutung der Erblichkeit zu untersuchen. Wäre Schizophrenie eine reine Erbkrankheit, würden beide Zwillinge erkranken, wenn sie eineiig sind. Dies ist aber nicht der Fall. Allerdings weist die Tatsache, dass Zwillinge eine höhere Übereinstimmung bei der Krankheit haben, gleichzeitig auf eine Bedeutung der Erbfaktoren hin.
2. Das Krankheitsbild der Schizophrenien und eigene Beobachtungen in der Praxis
Wie bereits erwähnt, wird versucht, zwischen Symptomen I. und Symptomen II. Ranges zu unterscheiden. Also solchen, die mehr und solchen, die weniger ins Gewicht fallen.
Vielen Beobachtungen zufolge hat sich in den letzten Jahrzehnten ein Wandel im Krankheitsbild der Schizophrenie abgezeichnet. Dabei sind die aufsehenerregenden Krankheitszeichen seltener geworden, die dezenten Beeinträchtigungen aber häufiger. Beschreibungen von Erscheinungsbildern bezüglich Gesichtsausdruck, Bewegung und Sprache, die früher gemacht wurden, sind heute meist nicht mehr zu beobachten.
Klar ausgedrückt: früher konnte man Patienten eher ansehen, dass sie an Schizophrenie erkrankt waren. Sonderbare, eigenwillige Kleidung, mangelhafte Körperpflege, wallendes Haupthaar, langer Bart usw. konnten durchaus auf so manches Wahnsystem hinweisen. Diese prägenden Äußerlichkeiten sind heute weitgehend verschwunden. Das gilt auch für manche charakteristischen Merkmale, wie Mimik, Gestik, sprachlichem Ausdruck und allgemeinem Auftreten – vor allem während des Krankheitsschubes.
2.1. Das äußere Erscheinungsbild
Ich konnte dennoch Gesichtsausdrücke beobachten, die jedes Minenspiel normalerweise überschreiten oder die gar nicht zum jeweiligen Gefühlszustand zu passen scheinen.
Vor allem sah ich gespannte, argwöhnische, misstrauische, unfreundlich, unbegründet – beglückte, unfreundlich, ablehnende, starr und steife, oder gar bedrohlich wirkende Gesichtsausdrücke in der Praxis.
Was fällt an einem schizophrenen Kranken besonders auf? Vor allem ist es meiner Meinung nach der Blick – vor allem im Zustand akuter Erkrankung. Diese Leute scheinen manchmal einfach durch einen hindurchzuschauen. Aber auch ein stechender Blick war bei manchen zu beobachten.
Auf jeden Fall wirkt dies für den Außenstehenden beunruhigend, oft auch recht bedrohlich.
2.2. Die Sprache
Zugang zum Kranken findet man natürlich vorrangig über die Sprache.
Aber besonders die Sprache mancher Schizophrener hebt sich vom Durchschnitt ab und so wurde ich von vornherein mit deren Sprachstörungen konfrontiert, die wissenschaftlich auch unter dem Namen Schizophasie bekannt sind. Erlebt habe ich eine übertrieben freundliche Redeweise. Mit vielen „sehr geehrter Herr Pfleger …“ und in jedem Satz „bitte“ oder „bitte, bitte“. Der genaue Gegensatz dazu – die äußerst aggressive Redeweise, konnte ich vor allem bei den paranoid – halluzinatorisch Schizophrenen beobachten. Übelste Schimpfwörter bis hin zur verbalen Morddrohung aus dem kleinsten, banalsten Anlass.
Aufgefallen ist mir besonders auch folgendes Phänomen: Es gibt bekanntlich Worte, die mehrere Bedeutungen haben und normalerweise finden die Kommunikationspartner immer die richtige „Wellenlänge“, sodass alle die gleiche Bedeutung des Wortes oder Begriffes meinen. Nicht so bei manchen schizophrenen Menschen.
› Fallbeispiel:
Ich führte ein Gespräch mit Frau W. in ihrem Zimmer. Auf dem Nachttisch stand ein eingerahmtes Hochzeitsfoto. Ich wollte gerne wissen, was aus ihrer Ehe nach Ausbruch ihrer Krankheit geworden ist. Daher fragte ich Frau W.: „Wo ist Ihr Mann?“ Als Antwort bekam ich aber nicht den Aufenthaltsort genannt, sondern: „Mein Mann ist da auf dem Hochzeitsfoto.“
Frau W. war also hier nicht in der Lage, den sogenannten Kontext (die Situation, in der ein Text geäußert und verstanden wird) zu erfassen.