Arthrose und Arthritis
a. Arthrose
Anatomie/Physiologie:
Gelenke
- Echte Gelenke verbinden Skelett abschnitte beweglich miteinander, ermöglichen bestimmte Bewegungsrichtungen und hemmen, je nach Gelenkart, andere Bewegungen.
- Ermöglichen leichte, möglichst reibungslose Bewegungen durch Synovia und Gelenkspalt.
- Fangen Druck beim Stehen und Springen auf durch Elastizität des hyalinen Knorpels.
Echte Gelenke:
- besitzen eine Kapsel,
- haben einen schmalen Gelenkspalt mit Synovia, die von der Innenhaut der Gelenke gebildet wird und der Ernährung des Knorpels und der Reibungsfreiheit der Gelenkflächen dient,
- werden durch Gelenkbänder zusammengehalten,
- haben einen hyalinen Knorpelüberzug,
- ermöglichen die Beweglichkeit zweier oder mehrerer Knochen gegeneinander,
- verfügen über Zwischenscheiben (Disci und Menisci).
Inhaltsverzeichnis
Definition: Arthrose (degenerativer Rheumatismus)
Ein nicht entzündlicher Abbau und Umbau der Gelenke, der über den Alterungsprozess hinausgeht.
- Erkrankung des Bindegewebes, das aus verschiedenen Elementen aufgebaut ist (Zellen, Fasern, Grundsubstanz, Versorgungsnerven, Gefäßsystem).
- Die Zusammensetzung der Elemente hängt von der Funktion des Bindegewebes ab.
- Das Bindegewebe unterliegt einem Alterungs- und Verschleißprozess.
- Abnutzungserscheinungen sind spätestens ab dem 30. Lebensjahr mikroskopisch zu erkennen, später auch im Röntgenbild zu sehen. Beschwerden müssen nicht auftreten.
- Die Arthrose tritt mit mehr als 50 000 Fällen pro Jahr in der Klinik auf.
Ursachen
- Erbliche Disposition – primäre Arthrose,
- schädliche Einflüsse für die Entwicklung einer sekundären Arthrose:
- Mechanische Über- und Fehlbelastung,
- Wiederholte entzündliche Schädigungen,
- Ablagerungen von Stoffwechselendprodukten in den Gelenkgeweben (Gicht),
- Ernährungs- und Durchblutungsstörungen,
- Hormonelle Faktoren, besonders hormonelle Umstellung im Klimakterium.
4) Pathophysiologie
- Prozess beginnt am Gelenkknorpel. Die Gelenkoberfläche wird rau, splittert faserig auf und zeigt später tief greifende Defekte, die schließlich die Knochenschicht erreichen.
- Als Reaktion auf die Schädigung laufen gleichzeitig Anbau- und Umbauprozesse an.
- Die Gelenkaußenseiten verbreitern sich durch knöcherne Auswüchse, wodurch die charakteristischen Randwülste der arthrotischen Gelenke entstehen.
- Die Gelenkinnenhaut reagiert mit Reizerscheinungen in Form von Ergüssen und Entzündungen.
- Bei auftretenden Entzündungszeichen spricht man von einer aktivierten Arthrose (Entzündungszeichen: Tumor, Rubor, Calor, Dolor).
- Durch Fehlbelastung der arthrotischen Gelenke werden Sehnen und Bänder in Mitleidenschaft gezogen.
- Die Muskulatur reagiert mit schmerzhafter, reflektorischer Verkrampfung.
5) Klinik/Symptome
- Leitsymptom ist der Schmerz.
- Schmerz erst nur nach Belastung, später bei einfachen Bewegungen, bei weiterem Fortschreiten Dauerschmerz.
- Typisch ist der Anlaufschmerz morgens oder nach längerer Ruhezeit, der im Anfangsstadium der Erkrankung nach einiger Zeit der Bewegung zurückgeht. Das Gelenk kann wieder normal bewegt werden.
- Durch Ausstrahlung der Schmerzen werden oft Muskelverspannungen ausgelöst.
- Steifigkeits- und Spannungsgefühl in den Gelenken wird durch die Beteiligung der Gelenke und Ergussbildung ausgelöst.
- Die Bewegungseinschränkung der betroffenen Gelenke ist in der ersten Zeit schmerzbedingt, später Folge der Umbauprozesse an den Gelenken.
- Die Schonung der Gelenke führt zu einer Überbelastung anderer Gelenke, Sehnen, Bänder und Muskelpartien, wodurch wiederum Arthrose, Reize und Schmerzen ausgelöst werden können.
- Außerdem führt das Nicht-Bewegen eines Gelenks zur Degeneration von Muskeln, Verkürzung der Bänder und Sehnen und somit zu einer Kontraktur.
- Faktoren, die arthrotische Beschwerden verstärken können:
- Überbelastung,
- Kälte,
- Nässe,
- Wetterumschwung,
- Stoffwechselprodukte.
6) Befunde bei der Untersuchung
- Schmerzhafte Bewegungseinschränkungen, erst nur in den Endphasen der Beugung, Streckung, Abspreizung oder Rotation.
- Umschriebener Druckschmerz (Gelenkspalt, Sehnen- und Kapsel Ansatz).
- Verdickung des Gelenks durch Kapsel Schwellung, durch die Randwulst Bildung und durch einen eventuellen Reizerguss.
- Fehlen von Rötung und Überwärmung.
- Fehlstellung des Gelenks durch Umbauvorgänge.
- Muskelatrophie,
- Gelenkinstabilität durch Lockerung des Halteapparates.
7) Diagnose
Körperliche und röntgenologische Untersuchungen:
- Randwulst Bildung schon in frühen Stadien,
- Geröllzysten Bildung durch Schwund des Knorpels und der angrenzenden Knochenschicht,
- Knochenverdichtung (Sklerosierung) unterhalb der Knorpelschicht als Reaktion auf den Knorpelschwund und die dadurch entstehende Mehrbelastung des Knochens.
- Gelenkspaltverschmälerung durch Knorpelschwund, Knorpel stellt sich im Röntgenbild nicht mehr dar.
Labordiagnostik:
- Blut- und Serum Untersuchungen fallen normal aus, außer bei Stoffwechselerkrankungen und sekundärer Arthritis
- Gelenkpunktat zeigt eine mäßige Zellzahlvermehrung, überwiegend Lymphozyten und Monozyten.
- Die Viskosität der Synovia ist herabgesetzt.
8) Therapie
- Entlastung der betroffenen Gelenke, ohne die notwendige Bewegung einzuschränken, zum Beispiel durch Gewichtsreduktion, Gehhilfen oder ein Korsett.
- Um Beweglichkeit am Morgen zu verbessern, kann in Absprache mit dem Betroffenen die Schmerzmedikation sehr früh am Morgen gegeben werden, dann ist die Wirkung beim Aufstehen bereits eingetreten.
- Schmerz- und Entzündung Beseitigung durch Hemmung der überschießenden Reaktion des Bindegewebes mittels:
- Antirheumatika,
- Glukokortikoid gaben in die Gelenke,
- Packungen mit durchblutungsfördernden und entzündungshemmenden Salben,
- Hemmung von abbauenden Enzymen und Entzündung Vermittlern (Mediatoren) durch sogenannte Knorpelschutzpräparate.
- Physikalische Therapie mit Wärmeanwendung in Form von Bädern, Moorpackungen, Fango … oder Kälteanwendungen, vorwiegend in Reizphasen oder wenn der Betroffene Kälte als lindernd empfindet.
- Physiotherapie ® Bewegungsbad, Lockerungsübungen, Muskeltraining, Massagen.
- Röntgenreizbestrahlung einzelner Gelenke.
- Operativ-orthopädische Maßnahmen in Form von Versteifungs-, Entlastungsoperationen, Gelenkersatz.
9) Prophylaxe
- Früherkennung angeborener oder erworbener Fehlstellungen, die ein Gelenk unphysiologisch belasten, wie zum Beispiel: Hüftfehlstellungen, Beinverkürzungen, Fehlhaltung der Wirbelsäule, Fußfehlstellungen.
- Körperliche Betätigung, die ausgewogen, vielseitig und in Maßen ausgeführt werden soll.
- Ausgleichstraining bei einseitiger beruflicher oder sportlicher Belastung.
10) Gefährdete Gelenke
- Hüftgelenke ® Coxarthrose,
- Kniegelenke ® Gonarthrose,
- kleine Gelenke an Fingern und Zehen, bei Fingern: Mittel- und Endgelenke ®Polyarthrose
- Daumenwurzelgelenk ®Rhizarthrose
Coxarthrose, Gonarthrose, Polyarthrose
I. Coxarthrose
1) Definition: Coxarthrose
- Arthrose der Hüftgelenke, tritt häufig nach dem 50. Lebensjahr auf.
2) Ursachen
- Angeborene Fehlbildungen der Gelenkpfanne,
- Entwicklungsstörungen am Gelenkkopf,
- Fehlstellungen der Beine,
- Wiederholte kleine Traumen,
- Entzündungen,
- vorwiegend im späteren Leben das Übergewicht und die damit verbundenen Stoffwechselstörungen,
- Arterielle oder venöse Durchblutungsstörungen,
- Hormonelle Umstellungen im Klimakterium.
3) Klinik/Symptome
- Die langsam einsetzenden Schmerzen strahlen in die Leisten, ins Gesäß, in den Rücken und in die Oberschenkel bis zum Knie aus.
- Frühzeichen: Abwinkelung nach außen und Innenrotation eingeschränkt.
- Bein wird zur Schmerzentlastung leicht nach außen rotiert und angewinkelt gehalten, woraus das typische Hinken entsteht.
4) Diagnose
- Röntgenbild gibt Auskunft über Ausmaß der arthrotischen Veränderungen und mögliche Ursachen.
5) Therapie
- Entlastung, medikamentöse Schmerzbehandlung, physikalisch-balneologische Therapie,
- teilweiser oder vollständiger Gelenkersatz ist heute von großer Bedeutung.
II. Gonarthrose
1) Definition: Gonarthrose
- Arthrose des Kniegelenks, häufigste Form der Gelenkarthrose,
- Frauen sind viermal häufiger betroffen als Männer.
2) Ursachen
- Fehlbildungen an Füßen, Hüftgelenken, am Knie selbst,
- Fehlbelastung (Übergewicht),
- Sportverletzungen (Ski, Fußball).
3) Klinik
- Frühzeitiger Anlaufschmerz oder Belastungsschmerz,
- Schmerzen insbesondere beim Berg- oder Treppenaufwärtsgehen,
- empfindliche Reaktion auf Kälte,
- in vielen Fällen überwiegen die Periarthropathischen Schmerzen (Kapsel, Sehnen, Bänder, Muskelansätze),
- Knorpelschaden an der Rückseite der Patella kann vor allen bei jungen Mädchen im Wachstum zu starken Schmerzen führen.
- Treten Schmerzen v. a. beim treppabwärts steigen auf und sind durch Druckpunkte unter und über der Patella zu lokalisieren, ist eine Überreizung der Sehnen- und Muskelansätze die Ursache.
- Kapsel Verdickung, Ergussbildung, Randwulst Bildung, Reibe Geräusche,
- Lockerung des Bandapparates,
- Beugung, Streckung und Rotation sind in der Endphase frühzeitig eingeschränkt.
4) Diagnose und Therapie
- Frühzeitig erkennbare Entrundung der Gelenkränder,
- Ausziehung der Kreuzbandhöcker,
- Knochenwulst Bildung an der Hinterwand der Patella sind neben den üblichen Zeichen röntgenologisch zu erkennen.
- Therapie wie Coxarthrose.
III. Fingerpolyarthrose (nodale Arthrose)
1) Definition: Polyarthrose
- Meist symmetrisch an den Fingerendgelenken, teils auch an den Fingermittelgelenken, einzelnen Fingergrundgelenken und dem Daumenwurzelgelenk auftretende Arthrose.
- Betroffen sind hauptsächlich Frauen im Klimakterium.
- Veranlagung wird von Generation zu Generation weiter gegeben.
2) Klinik
- Langsamer Beginn ohne Allgemeinerscheinungen oder Entzündungszeichen, mit Steifigkeitsgefühl, Kraftlosigkeit usw.,
- Heberden-Knötchen durch Knorpel-Knochen-Wucherungen an den Oberseiten der Fingerendgelenke.
- Knotenartige Auftreibungen können auch an den Mittelgelenken zu tasten sein (Bouchard-Knoten).
- Arthrose des Daumenwurzelgelenks heißt Rhizarthrose.
- Erste Röntgenveränderungen findet man im Gegensatz zur chronischen Polyarthritis an den Fingerendgelenken des 2. und 5. Fingers.
- Rand Anbauten durch Knochen- und Knorpelwucherung sind hier nicht auf Verschleiß oder Fehlbelastung zurückzuführen.
- Oft sind alle drei Gelenkgruppen betroffen.
- Reizzustände, die schubweise auftreten, erinnern an entzündliche Gelenkreaktionen.
- Der fortschreitende Gelenkumbau führt zu einer seitlichen Deviation der Endglieder in Beugestellung.
- Teilweise entwickelt sich die Fingerpolyarthrose über Jahre ohne Schmerzen. In diesen Fällen leiden die Betroffenen hauptsächlich unter der Verunstaltung der Finger.
- Arthrosen an den übrigen Hand- und Fußgelenken sind seltener, Ausnahme: Großzehengrundgelenk.
3) Therapie
- Reizzustände werden mit lokalen Salben verbänden behandelt,
- Wärmeanwendung,
- Beschwerden in den Daumenwurzelgelenken können Rheuma chirurgisch behandelt werden.
b. Arthritis
- Definition: Arthritis
- Unter Arthritis versteht man Entzündungen eines oder mehrerer Gelenke mit den typischen Entzündungszeichen.
- Man unterscheidet symptomatische und reaktive Arthritiden.
1) Symptomatische Arthritiden
- Symptomatische Arthritiden treten während oder nach einer bakteriellen oder viralen Infektion auf, wie zum Beispiel bei Masern oder Röteln.
- Es wird angenommen, dass sich im Laufe der Infektion Antigen-Antikörper-Komplexe bilden und an den Gelenkschleimhäuten ablagern und so die Entzündung auslösen.
- Bei einer viralen Infektion kann auch die Vermehrung der Viren in den Zellen die Infektion auslösen.
- Symptome reichen von Gelenk- und Weichteilschmerzen bis hin zu einer deutlichen Schwellung des Gelenks.
- Reaktionen klingen meist innerhalb von Tagen bis Wochen ab und hinterlassen keine Schäden.
2) Reaktive Arthritiden
- Treten nach Infektionen mit Darmbakterien (Salmonellen, Shigellen, Campylobacter jejuni) sowie nach Infektionen im Urogenitalbereich auf (Chlamydien, Mykoplasmen).
- Der reaktive Typ ist mindestens so häufig wie die chronische Polyarthritis.
- Menschen mit fehlgesteuerter Immunabwehr erkranken 1–2 Wochen nach der Darm- oder Harnwegsinfektion an einer akuten Gelenkentzündung.
Symptome der reaktiven Arthritis sind:
- Asymmetrischer Befall der unteren Extremitäten,
- oft rezidivierende Entzündungen an z. B. Fersen, Sitzbein.
- An den Händen sind gelegentlich das Handgelenk und einzelne Fingergrundgelenke betroffen.
- Gelenke sind, über wärmt und größtenteils bläulich-rot geschwollen.
- Beschwerden der Grunderkrankung sind in der Regel schon abgeklungen.
- Zeichen der akuten Entzündung im Serum.
- Eventuell entzündliche Beteiligung des Auges und der Haut.
b) Diagnose und Verlauf:
- Bakterien in Stuhl oder Urin nicht mehr nachweisbar, es wird angenommen, dass Bakterienteile oder Bakterien selbst durch die Fehlregulation in die Gelenke verschleppt werden.
- Diagnose erfolgt über Nachweis der entsprechenden Antikörper im Serum, keine Rheumafaktoren nachweisbar.
- Gelenkentzündung verläuft in Schüben, kann bis zu 2 Jahre abklingend bestehen.
- Chronischer Verlauf mit Gelenkzerstörung selten.
- Behandlung mit nichtsteroidalen Antirheumatika (oral oder als Salben), akute Schübe werden mit Eisapplikation behandelt. Noch bestehende Infektionen werden mit Antibiotika behandelt.
Weitere Quellen zu Arthrose und Arthritis
Arthrose/Arthritis: Unterschied, Symptome, Diagnose, Therapie
Arthrose und Arthritis