Kreativer Spielprozess, eine Spielrunde mit dem Spiel Vertellekes
1)Warum ist das von ihnen gewählte Spiel für die Einrichtungsart besonders geeignet?
Es wurde von mir ein Spiel ausgewählt, dass sich gut für eine Altentagesstätte und für ein Altenheim eignet.
Gedächtnisstörungen, Verwirrtheit und Demenzerkrankungen können den Alltag eines alten Menschen tiefgreifend beeinflussen und damit auch die Anforderungen an die begleitende Pflegekraft entscheidend verändern. Viele praktische Beispiele und Erfahrungen zeigen, wie durch ein möglichst frühzeitiges Betreuungskonzept und durch die Anpassung der äußeren Lebensumstände an die Bedürfnisse des alten Menschen doch Hilfeleistungen möglich sind. Die zumindest zu einer kurzzeitigen Entlastung für alle Beteiligten führen können. Mit dem Altern verbundene Veränderungen, wie Gedächtnisstörungen oder Konzentrationsstörungen, stellen sich in der Regel schleichend ein.
Aber, Verwirrtheit und Desorientiertheit sind keine Krankheiten, sondern das Symptom einer Veränderung, einer Krankheit. Verwirrtheit kann man in vielen Fällen positiv beeinflussen. Auch die Kommunikation ist mit zunehmenden Alter oftmals gestört. Durch ein Nachlassen des Hör- und Sehvermögens, manchmal auch durch schlecht sitzende Zahnprothesen, kann eine zusätzliche Vergesslichkeit vollends zur Vermeidung von Gesprächen und zur Abkapselung führen. Viele alte Menschen ziehen sich dann zurück und werden so in eine Einsamkeit gedrängt, die sie im Grunde gar nicht wollen.
Durch ein Hörgerät, eine Brille oder gut sitzende Zähne kann man das eine Handicap schon lösen. Viele alte Menschen sitzen ihre letzten Jahre ab. Betrachtet man die Bedürfnisse der Älteren genauer, muss man erkennen, dass dieses Leben nicht befriedigt. Alte Menschen haben viel zu bieten und sollten dazu ermuntert und motiviert werden. Ich habe mich für ein Spiel für die Arbeit mit verwirrten, isolierten und für Bewohner, die keine geistigen Einschränkungen haben, entschieden. Das Spiel ist eine vielversprechende Möglichkeit, über den alltäglichen pflegerischen Kontakt hinaus, den alten Menschen kennenzulernen und eine Beziehung zu ihm aufzubauen.
Außerdem kann der Umgang mit dem Spiel den Pflegealltag im Altenheim respektive in der Altentagesstätte, der vielfach von Routine und Hektik geprägt ist, auflockern und bereichern. Die Spielziele beziehen sich auf jene Bereiche, durch die der alte Mensch ein Gegengewicht zu den negativ erlebten Aspekten des Älterwerdens schaffen kann. Insofern leistet das Spiel „Vertellekes“ einen Beitrag zur Lebensfreude des älteren Menschen. Die Spielziele sind: 1)Erinnerungen wecken 2)Positive Wahrnehmungen fördern 3)Individualität und Selbstvertrauen fördern 4)Gemeinschaftserlebnisse fördern 5)Erfahrungsaustausch und gegenseitiges Kennenlernen fördern 6)Verwirrte alte Menschen integrieren.
1)Erinnerungen wecken.
In der Erinnerung ist die Vergangenheit eines Menschen aufgehoben. Je mehr ein Mensch seine Vergangenheit vergisst, umso weniger weiß und versteht er von sich in der Gegenwart. Verwirrte alte Menschen leiden häufig unter dem Verlust von Erinnerungen und damit biografischen Bezügen. Deshalb ist es ein wichtiges Ziel in der Arbeit mit den alten Menschen, den Verlust von Erinnerungen entgegenzuwirken. Es geht darum, ihm Hilfestellung zu geben, seine Lebensgeschichte präsent zu halten. Dies gelingt am ehesten durch konkrete Fragen nach seiner Biografie. Beim Erzählen wird Vergangenes gegenwärtig und prägt sich wieder ein, das Spiel enthält Fragen zum Erzählen vieler kleiner Erlebnisse aus dem Langzeitgedächtnis.
Dabei gilt es in erster Linie angenehme und alltägliche Erfahrungen in den Blick zu nehmen. Interessant ist dabei auch die Feststellung des sozialen, kulturellen und technischen Wandels, den jeder Mensch persönlich miterlebt hat. So stellt sich bei jeder Frage automatisch die Gegenfrage: „Wie ist es heute?“ Auf diese Weise entsteht eine Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Gegenwart auf der Ebene von Alltagserlebnissen. Entscheidend jedoch ist, dass aus dem Zustand der Leere und Leblosigkeit, wie ihn viele alte Menschen schildern, „was soll ich denn sagen, ich erlebe doch nichts“, wieder ein mit Erinnerungen und inneren Bildern erfüllter Zustand wird.
2)Positive Wahrnehmung fördern
Denken, Fühlen und Handeln werden wesentlich von der Art der Wahrnehmung bestimmt. Werden überwiegend positive Dinge wahrgenommen, treten die negativen in den Hintergrund und umgekehrt. Das Erleben von Krankheit, zunehmender Sehschwäche, Schmerzen, von Verlusten und Einsamkeit verengt die Wahrnehmung vieler alter Menschen auf wenige überwiegend negative Empfindungen. Das zu viel an Selbst-Aufmerksamkeit bewirkt, dass Gefühle von Unwohlsein wie unter einer Lupe wahrgenommen werden. Dieser Gedanken- und Gefühlskreislauf wirkt sich lähmend auf mögliche Aktivitäten des alten Menschen aus. Er findet hier nur schwer heraus: einerseits klagt er über Einsamkeit und Leere, andererseits weist er Angebote, aus diesem Zustand herauszukommen, mit der Begründung zurück, zu schwach zu sein und Schmerzen zu haben.
Dabei können Schmerzen und Schwäche in der Wahrnehmung sich dann ausbreiten, wenn kein Ausgleich zu ihnen besteht. Das Spiel schafft mit seinen Fragen und Aufgaben Gegengewichte zu einer verengten und negativen Wahrnehmung. Zum einen wird hier der einfache Mechanismus der Ablenkung wirksam: beim Nachdenken über eine Sache werden neue Gedanken aktiviert, zum anderen wird durch das Nachfragen angenehmer Erlebnisse und Vorlieben die Wahrnehmung auf positive Inhalte gelenkt. Vor allem schafft das Gruppenerlebnis, die Gespräche, das Erinnern, Nachdenken und Singen eine Unterbrechung des oben beschriebenen Gedanken- und Gefühlskreislaufes. Dies kann über die Dauer der Spielrunde hinaus, der Wahrnehmung eine positive Richtung geben.
3)Individualität und Selbstvertrauen fördern
Das Bewusstsein, eine einmalige Person mit einer unverwechselbaren Lebensgeschichte zu sein, ist entscheidend, um sich als Individuums zu erleben. Im Altenheim ist es oft nicht leicht für die Bewohner, sich ein Bewusstsein für die eigene Persönlichkeit zu erhalten. Die Angleichung des Tagesablaufes, des Wohn- und Lebensumfeldes ebnet individuelle Unterschiede ein. Vor allem aber das Gefühl eine/einer unter vielen zu sein, genauso wie alle anderen behandelt zu werden, macht es schwer, die Konturen der eigenen Persönlichkeit noch wahrzunehmen. Dabei bleibt jeder weiter die einzigartige Person, die er immer wahr, nur ist dies für ihn und die Mitmenschen immer schwer erfahrbar.
Das Spiel schafft Gelegenheiten, bei denen sich der alte Mensch als Individuum erleben kann: Jeder hat seine eigenen Erfahrungen, seine Art zu erzählen, sich zu erinnern, nachzudenken, zu singen und zu lachen. Es kommt deshalb bei dem Spiel auch darauf an, jeden Mitspieler < mit seiner eigenen Art > Raum und Ausdrucksmöglichkeit zu geben.
4)Gemeinschaftserlebnisse fördern
Für den alten Menschen im Altenheim ist ein angenehmes Erleben von Gemeinschaft nicht ohne Weiteres zu realisieren. Denn die Gemeinschaft, die er im Altenheim erlebt, ist zunächst einmal eine, die er sich nicht selbst ausgesucht hat und außerdem eine, die seine Bedürfnisse nach Privatheit und Intimität teilweise beschneidet. Die Gemeinschaft im Altenheim wird von vielen Bewohnern eher in ihren einschränkenden und beeinträchtigenden als in ihren wohltuenden Wirkungen empfunden: sie erleben, dass der Gesprächsstoff immer weniger und enger wird.
Häufig kreist er nur noch um die körperlichen Befindlichkeiten, darum, dass jeder hungrig ist nach Aufmerksamkeit und Zuwendung von den Pflegekräften oder den Angehörigen. Nicht selten entstehen Eifersüchteleien untereinander. All das weckt nicht gerade das Bedürfnis nach Nähe und Kontakt zu anderen. Jedoch stecken auch in dieser unfreiwilligen Gemeinschaft Potenziale, die emotionale Bedürfnisse nach zwischenmenschlichem Kontakt, nach Wärme, Nähe, Vertrauen und Verbundenheit befriedigen können.
Es gilt für solche Erfahrungen den Boden in einer Gruppe zu bereiten. Voraussetzung ist ein angst-freier Umgang miteinander, das Erleben, das Ernst und angenommen Seins und ein Rahmen, der positive Erfahrungen miteinander ermöglicht. Das Spiel kann so ein Rahmen sein. Es regt das miteinander Reden, Nachdenken, Lachen, Singen an und fördert dadurch ein Gemeinschaftserlebnis. In der Spielweise wird deutlich, dass alle „an einem Strang ziehen“. Bildhaft dafür ist eine Spielfigur, die reihum von jedem Mitspieler weitergezogen wird.
Bei jeder Frage ist immer die ganze Gruppe angesprochen. Dadurch werden „Drucksituationen“ vermieden, die häufig bei der Situation entstehen: „Jetzt bin ich an der Reihe“! Jeder kann sich jederzeit ins Spiel einbringen oder sich enthalten. Das schafft eine Atmosphäre, bei der sich niemand unter Druck gesetzt fühlt und Gemeinschaft in ihrer förderlichen Wirkung erleben kann.
5)Erfahrungsaustausch und gegenseitigen Kennenlernen fördern
Vielfach kennen die Bewohner im Altenheim voneinander kaum Einzelheiten ihrer persönlichen Lebensgeschichte, weil es wenig Anlässe gibt, diese einander zu erzählen. Viele kennen sich nur auf dem Hintergrund ihrer momentanen Lebenssituation und die ist häufig von Unzufriedenheit und Enttäuschung geprägt. Als Gesprächspartner konfrontieren sie sich dadurch gegenseitig mit den eigenen Frustrationen. Auf der anderen Seite können die Bewohner im Altenheim ausgesprochene, interessante Gesprächspartner füreinander sein, weil alle schließlich ähnliche Bezüge in ihrer Biografie haben.
Spannende Parallelen vieler Alltagserfahrungen können sich ergeben, über die sich auszutauschen allerhand Erinnerungen wecken kann. Der Erfahrungsaustausch, der über das Spiel angeregt wird, ist mit einem Trödelmarkt vergleichbar, bei dem viel kleine, scheinbar nutzlose Dinge mit hohem Erinnerungswert zu entdecken sind.
Gerade mit diesen Dingen verbindet sich das damalige Lebensgefühl. Beispielweise kann zu der Erinnerung an das frühere Teppichmuster noch die des Geruches an den Raum hinzukommen. Es entsteht ein Mosaik von Erinnerungsstücken, das den Erzähler wie den Zuhörer förmlich schmecken, riechen und spüren lässt, wie es damals gewesen ist. Dieses Lebendig werden von Vergangenem wird vor allem durch die Form des Austausches ermöglicht. Das Kennenlernen, das über diesen Erfahrungsaustausch entsteht, vermindert Anonymität, Fremdheit und Misstrauen im Umgang miteinander. Jeder gibt Puzzlestücke seiner Biografie zu erkennen, ohne dabei tiefere Dinge von sich preiszugeben. Man ist füreinander kein unbeschriebenes Blatt mehr, genießt aber trotzdem noch den Schutz seiner Privatsphäre.
6)Verwirrte alte Menschen integrieren
Für verwirrte alte Menschen ist es nicht leicht, geeignete Spiel- und Kommunikations-Möglichkeiten zu finden. Im Spannungsfeld zwischen Über- und Unterforderung entstehen oftmals Frustrationen sowohl beim verwirrten alten Menschen als auch beim Helfer. Häufig bereiten einfache Gesprächssituationen und leichte Brettspiele den verwirrten alten Menschen schon große Probleme. Aus der Erfahrung ist es am wichtigsten, einen entspannten Rahmen zu schaffen, der unter Umständen nicht mehr vermittelt als das Gefühl der Zugehörigkeit und Geborgenheit, ohne diesen Rahmen sind Restfähigkeiten nicht aktivierbar.
Das Spiel sollte in gemischten Gruppen angewendet werden. Die Gruppe ist in der Regel so zusammengesetzt, dass der Anteil nicht verwirrter Mitspieler überwiegt. Durch die Spielregel, bei der keiner eine Antwort geben muss, der es nicht kann oder nicht will, werden Versagensangst und Leistungsdruck vermieden. Dadurch können auch diejenigen am Spiel teilnehmen, die den Gesprächen und Aufgaben beim Spiel nur begrenzt folgen können. Ihre Teilnahme am Spiel begrenzt sich eventuell lediglich auf das Würfeln oder Mitsingen.
Gerade beim Singen können sich verwirrte alte Menschen ins Spiel einbringen und erleben sich als dazugehörig. Sie erleben beim Spiel ein Stück wohltuende Normalität: sie sitzen inmitten einer Gruppe, die miteinander spielt und redet. Für verwirrte alte Menschen, die sonst überwiegend mit anderen Verwirrten zusammen sind, kann das schon eine angenehme Erfahrung sein. Nicht zu unterschätzen ist in jedem Fall das schlichte Erlebnis des dazu Gehörens und Dabeiseins, das den Verwirrten seelisch und geistig stabilisiert. Die andere Seite der Integration ist die Fähigkeit und Bereitschaft der nicht verwirrten Mitspieler Toleranz und Verständnis gegenüber den verwirrten Mitspielern zu zeigen.
Dies ist nicht ohne weiteres vorauszusetzen, denn schließlich ruft der Kontakt mit verwirrten alten Menschen auch Angst hervor, demnächst selbst betroffen sein zu können. Außerdem erfordert der Umgang mit Verwirrten oft ein hohes Maß an Geduld. Die Erfahrung zeigt, dass gegenseitige Rücksichtnahme und Akzeptanz im Rahmen des Spiels wenig problematisch sind. Wechselseitige Hilfe beim Vorlesen der Karten, beim Weiterziehen der Spielfigur etc. geschehen in der Regel selbstverständlich. Es gibt natürlich auch Grenzen der Integration. Wenn verwirrte Mitspieler durch ihr Verhalten den Spielablauf so behindern, dass die anderen Mitspieler die Freude am Spiel verlieren, gilt es nicht auf Biegen und Brechen das Integrations-Prinzip durchzusetzen.
Grundsätzlich jedoch gilt, dass die Spielgruppe ein Ort ist, an dem jeder sein kann, wie er ist, wo unterschiedliche Fähigkeiten und Eigenschaften keine Bewertung erfahren, sondern als Bereicherung aufgenommen werden. Dies ist auch für die nicht verwirrten Mitspieler eine wichtige Erfahrung.
Das Spiel ist relativ leicht zu spielen. Es beinhaltet: 240 Aufgabenkarten für 8 verschiedene Themenbereiche z. B.biografische Fragen, persönliche Fragen, Volkslieder, Poesie, Denkanstöße, 1 Spielplan,2 Würfel,1 Spielfigur, 1 Sanduhr, 1 Spielanleitung.
Spielverlauf:
Der Mitspieler, der zur Spielfigur am nächsten sitzt, fängt an zu würfeln und zieht die Spielfigur um die gewürfelte Zahl weiter. Kommt die Spielfigur dabei auf ein Leerfeld, passiert nichts und der nächste Mitspieler ist an der Reihe. Kommt die Spielfigur auf ein Aufgabenfeld, zieht der Mitspieler die hierzu passende Aufgabenkarte und liest sie vor. Jede Aufgabe richtet sich immer an die ganze Gruppe. Das bedeutet, dass sich jeder zu jeder Frage äußern kann. Nach Beantwortung einer Frage wird die benutzte Karte beiseite gelegt und der nächste Mitspieler würfelt weiter. Da es bei dem Spiel kein festgesetztes Ende gibt, wird auf Zeit gespielt. Empfehlung 1 Stunde.
Die Themenkarten sind mit Tierfiguren z. B.Eichhörnchen, Dachs bemalt, auf der Rückseite stehen in Großbuchstaben die Fragen oder die Aufgabe z. B.
Themenkarte Eichhörnchen: Nennen sie Städte mit folgenden Anfangsbuchstaben Würfelzahl 1 Anfangsbuchstabe A Würfelzahl 2 Anfangsbuchstabe W
Themenkarte Dach: Wie heißt diese Redensart richtig? Wer sich um des Briefträgers Bart streitet, musst sich nach der Zecke strecken. Oder auch Fragen nach Volkslieder, die dann die ganze Gruppe beantworten respektive singen muss, (wer mitsingen möchte).
Das Spiel Vertellekes eignet sich besonders zum regelmäßigen Spiel in einer konstanten Gruppe von 3 bis 8 Personen.
Die Lebenssituationen im Altenheim ist für die meisten Bewohner arm an Erfolgserlebnissen. Das Angewiesensein auf fremde Hilfe, konfrontiert mit allen, was man hier nicht mehr selbst kann, schwächt damit das Selbstvertrauen der Bewohner. Die meisten Bewohner trauen sich weit weniger zu, als sie tatsächlich noch können. So werden verbleibende Fähigkeiten nicht motiviert und bauen sich deshalb ab. Das Spiel Vertellekes aktiviert die geistigen Fähigkeiten der alten Menschen, ohne Versagensängste zu erzeugen.
Bei dem Spiel kann jeder kleinen Erfolgserlebnisse sammeln, die ihn entdecken lassen, was er noch alles kann und weiß. Außerdem finde ich gut, dass die Spielgruppe aus verwirrten und nicht verwirrten Bewohnern bestehen kann und soll. Oftmals werden die verwirrten alten Menschen von „normalen“ Bewohnern gemieden. Das Spiel ermöglicht, dass alle Bewohner, die auf einer Station in einem Altenheim leben, gemeinsam spielen können. Rücksichtnahme und gleichzeitige Hilfe, z. B. beim Vorlesen helfen, haben dabei einen großen Anteil. Da das Spiel für die Altenpflege konzipiert wurde, sind Würfel und Spielfigur größer als bei anderen Spielen.
Viele Bewohner haben Sensibilitätsstörungen an den Händen respektive Fingern und können Dinge oft nicht fassen und festhalten. Spielfigur und Würfel sind groß und für die Mitspieler greifbar. Auch die Themenkarten sind genau gearbeitet. Sie sind aus dickerer Pappe gemacht, damit jeder Bewohner sie gut greifen und anfassen kann. Auf der einen Seite die Tierfigur, auf der anderen Seite die Aufgabe oder Frage in Großbuchstaben, also gut leserlich.
Im Altenheim leben verwirrte, desorientierte und Bewohner, die keine geistigen Einschränkungen haben, oftmals auf einer Station zusammen. Der Kontakt untereinander besteht meist nur bei den gemeinsamen Mahlzeiten oder bei Veranstaltungen. Aber auch da kommen Gespräche oftmals nicht richtig in Gang. Ich halte es für essenziell, dass sich die Bewohner näher und persönlicher kennenlernen. Dieses Spiel gibt meiner Meinung nach Gelegenheit dazu und gleichzeitig werden die Bewohner motiviert und aus ihrer Einsamkeit gerissen.
Das Spiel fördert die positive Wahrnehmung, fördert Selbstvertrauen und Individualität, weckt Erinnerungen, fördert die Gemeinschaft untereinander, fördert den Erfahrungsaustausch und gegenseitiges Kennenlernen. Ganz besonders gut und wichtig für mich ist, dass verwirrte, desorientierte und Bewohner, die keine geistigen Einschränkungen haben bei dem Spiel mitmachen können und auch sollen, und so in die Gemeinschaft eines Altenheimes respektive der Station integriert werden.
2)Was muss der Spielleiter als Impulsgeber, Beobachter und Mitspieler bei diesem Spiel beachten?
In der Altenpflege werden in erster Linie Mitarbeiter/innen des Pflegedienstes die Aufgabe der Spielleitung übernehmen. Im Sinne einer ganzheitlichen Pflege empfiehlt es sich besonders, dass Pflegekräfte die Spielgruppe leiten. Denn das Spiel ist eine vielversprechende Möglichkeit, über den alltäglichen pflegerischen Kontakt hinaus, den alten Menschen kennenzulernen und eine Beziehung zu ihm aufzubauen.
Die Voraussetzungen für die Leitung des Spiels.
Eine interessante Grundhaltung jedes Mitspielers ist entscheidend für den gesamten Spielverlauf. Wenn die Spielleitung vermittelt, dass sie an allen großen und kleinen Geschichten der Mitspieler Anteil nimmt, kann sich dies auf die gesamte Gruppe übertragen. Interesse aneinander zeigen und wecken, ist der Motor des ganzen Spiels und eine Aufgabe des Spielleiters. Eine realistische Erwartung an sich selbst und die Mitspieler sind notwendig, um den Spielleiter und die Bewohner nicht zu überfordern. Gelegentlich wird es Situationen geben, die der Spielleitung zäh und mühsam vorkommen, das ist normal und sollte von ihr akzeptiert werden.
Es können und sollen bei dem Spiel keine großen Erfolge, sondern immer nur geringe Schritte erwartet werden. Doch auf die kommt es eben an. Der Spielleiter hat die Aufgabe, den alten Menschen zum Spiel zu motivieren. Dies kann und muss viel Geduld erfordern, da Antrieb und die Bereitschaft, sich auf etwas Neues einzulassen, beim alten Menschen nicht ohne Weiteres vorauszusetzen sind.
Es gilt, die Vorbehalte des alten Menschen ernst zu nehmen und sein Vertrauen und Interesse für das Spiel zu wecken, indem ihm die Spielinhalte beschrieben werden. Deutlich gemacht werden sollte, dass es darum geht, miteinander zu singen, zu raten, zu plaudern. All dies ist dem Bewohner bekannt und in der Regel mit angenehmen Vorstellungen verbunden. Wenn der alte Mensch erst einmal an der Spielrunde teilgenommen hat und diese für ihn eine interessante und positive Erfahrung war, wird er das nächste Mal auch wieder gern mitmachen.
Trotzdem muss die Spielleitung sich darauf einstellen, dass Bewohner, die unter Antriebsmangel leiden, immer wieder zum Spiel motiviert werden müssen. Es ist wichtig, mit dem Spiel eine feste Gruppe aufzubauen, die sich wöchentlich zur gleichen Zeit trifft. Das Spiel ist zum regelmäßigen Einsatz gedacht. Bei sporadischer Benutzung wird es nicht gelingen im Sinne der Spielziele, ein Gruppengefühl aufzubauen und gegenseitiges Kennenlernen zu fördern und zu vertiefen. Bei der offenen Spielweise kann es passieren, dass durcheinander geredet wird, dass man einander nicht ausreden lässt oder nur die Lautesten und Schnellsten sich Gehör verschaffen.
Schwerhörige können dann dem Gespräch nicht mehr folgen und zurückhaltende Mitspieler gehen dabei unter. Deshalb ist die Aufgabe des Spielleiters, die Gruppe auf die Bedeutung und Einhaltung bestimmter Regeln hinzuweisen und an diese zu erinnern, wenn es nötig ist. Es sind einfachen Regeln, die befolgt werden müssen.
° einander ausreden lassen
° einander zuhören
° nacheinander reden
° laut sprechen, damit alle es verstehen können
° beim Vorlesen der Karten helfen, oder es ganz übernehmen.
Diese Regeln sollten jedoch nicht starr angewendet werden. Es ist also nicht in jedem Fall einzugreifen, wenn mehrere Seitengespräche geführt werden. Die Spielleitung muss Fingerspitzengefühl zeigen und entscheiden, ob diese Seitengespräche gerade dem Bedürfnis der Gruppe entsprechen oder ob einzelne Mitspieler dadurch ausgeschlossen werden, weil sie akustisch nichts mehr verstehen. Regeln geben Sicherheit und Orientierung, jedoch können sie eine lebendige Kommunikation behindern. Es liegt daran, dass rechte Maß für den Einsatz der Regeln zu finden.
Die Spielleitung sollte so wenig Erklärungen wie möglich vor dem Spiel geben und stattdessen während des Spiels den Umgang mit den einzelnen Themenkarten erklären. Auf diese Weise prägen sich den Mitspielern die Regeln während des Spiels ein. Es können einige Schwierigkeiten für die Mitspieler beim Umgang mit den Themenkarten auftauchen, z. B.: Wegen starker Sehschwäche sind einige Mitspieler nicht in der Lage, die Karten vorzulesen, dann übernimmt dies ein anderer Mitspieler oder die Spielleitung selbst. Verwirrte Mitspieler wissen nichts mit der Spielkarte anzufangen, dann übernimmt es ebenfalls jemand anders, die Spielkarte vorzulesen.
Die gegenseitige Hilfe beim Umgang mit den Spielkarten gehört zum Spiel dazu und trägt nicht unerheblich zum Zusammengehörigkeitsgefühl der Gruppe bei. Da das Spiel eine Vielzahl recht unterschiedlicher Fragen und Aufgaben enthält, ist es für manchen Mitspieler schon eine hohe Anforderung, sich auf den Wechsel der verschiedenen Fragen einzustellen. Deshalb ist es wichtig, dass die Spielleitung viel Zeit zum Erklären gibt und gegeben, falls eine Frage mehrmals wiederholt. Zeit und Geduld sind wesentliche Aspekte beim Spiel.
Bei den ausschließlich kommunikativen Fragen des Spiels, z. B. biografische, persönliche Fragen und Denkanstößen hat die Spielleitung die Aufgabe, möglichst alle Mitspieler in das Gespräch miteinzubeziehen. Manchen Mitspielern bedeutet das Reden und Zuhören große Mühe. Sie benötigen besondere Unterstützung und Ermutigung, um diese Fähigkeiten teilweise zurückzugewinnen. Indem die Spielleitung die Fragen des Spiels aufgreift und weiterentwickelt, Nachfragen stellt, werden auch diejenigen zum Erzählen angeregt, die sonst große Schwierigkeiten haben, sich zu äußern.
Über die Spielkarten allein entstehen in den meisten Fällen noch keine lebhaften Gespräche. Die Spielleitung trägt wesentlich dazu bei, dass sich aus den Gesprächsanstößen des Spiels tatsächlich Gespräche entwickeln. Es kann jedoch vorkommen, dass bestimmte Themen trotz Bemühungen der Spielleitung auf kein Echo bei den Mitspielern stoßen. Die Spielleitung bekommt mit der Zeit ein Gespür dafür, wenn sich eine Frage erschöpft hat. Es sollte jedoch nicht weiter gewürfelt werden, bevor nicht jeder, der etwas zum Thema sagen möchte, Gelegenheit dazu hatte. Das kann die Geduld der anderen Mitspieler stark fördern, doch gehört es auch zu den Aufgaben des Spielleiters, das gegenseitige Zuhören zu fördern. Ein entscheidender Aspekt beim Spiel ist, dass auch die Spielleitung Spaß am Spiel hat.
Sie soll keine abgehobene und distanzierte Rolle in der Gruppe einnehmen. Alle biografischen und persönlichen Fragen richten sich auch an sie. Für die Mitspieler ist es interessant, den Spielleiter persönlich kennenzulernen. Da die Spielleitung meist einer jüngeren Generation angehört, ist es zusätzlich spannend, die unterschiedlichen Erfahrungen zu vergleichen. Die Offenheit, mit der die Spielleitung die Fragen beantwortet, überträgt sich auf die ganze Gruppe und wirkt motivierend.
Auch die Gestaltung des äußeren Rahmens ist die Aufgabe des Spielleiters. Je nachdem, wie viele Bewohner daran teilnehmen, hat die Spielleitung dafür zu sorgen, dass alle genügend Platz haben. Ein großer Tisch mit bequemen Stühlen sollte in der Mitte des dafür vorgesehenen Raumes stehen. Zwischen den Stühlen (auch an Rollstuhlfahrer denken) sollte genügend Platz gelassen werden, damit die Mitspieler sich während des Spiels nicht gegenseitig bedrängen.
Das Spiel sollte so auf dem Tisch platziert werden, dass alle Mitspieler bequem an die Spielfigur und an die Themenkarten herankommen. Da das Spiel etwa 1 Stunde dauert, sollten Getränke für die Spieler bereitgestellt werden. Die Bewohner sollen einige Zeit vor Beginn des Spiels (1-2 Tage) von der Spielleitung informiert werden, um welche Zeit sich getroffen wird und in welchem Raum das Spiel stattfindet. Eine kleine Einladung mit Datum, Uhrzeit und Ort sollte vorab an die Bewohner verteilt werden. Wird das Spiel zum ersten Mal gespielt, sollten Bewohner vorher gefragt werden, ob sie gern mitspielen möchten. Auch einige Informationen über das Spiel sollten von der Spielleitung an die Bewohner persönlich weitergegeben werden.(Bewohner/indessen vorab gefragt werden, ob sie mitspielen möchten.es darf keiner dazu gezwungen werden).
Die Einladung ist eine nette und persönliche Geste für die Bewohner und sagt ihnen, dass sie dazugehören. Die Einladung sollte so geschrieben werden, dass alle Bewohner sie gut lesen können. Auch an die verwirrten Mitspieler sollte dabei gedacht werden. Alle Mitspieler bekommen die Einladung persönlich von der Spielleitung überreicht. Zusammen mit der Spielleitung wird die Einladung gelesen (oder vorgelesen), und auf Datum, Uhrzeit und Ort hingewiesen, ebenso, dass zum Spiel eine Brille und das Hörgerät gebraucht werden. Kurz vor Beginn des Spiels werden Rollstuhlfahrer und verwirrte Bewohner von der Spielleitung abgeholt, (die Spielleitung bekommt dabei Unterstützung von einigen Kollegen).
Es ist nicht gut, verwirrte Mitspieler schon eine halbe Stunde vor Beginn des Spiels abzuholen und zum Spielort zu begleiten. Bis das Spiel beginnt, würden diese Bewohner schon wieder weggelaufen sein, weil sie nicht mehr wissen, was in dem Raum stattfindet oder es vergessen haben. Zu Beginn und zum Ende einer Spielrunde sollten feste Gewohnheiten eingeführt werden. Das kann das Vorlesen einer kleinen Geschichte, eines Gedichtes, das Singen eines Liedes oder ein kurzer Austausch über eine wichtige Zeitungsmeldung des Tages sein.
Das Spiel ist so konzipiert, dass es der Spielleitung viel Freiraum für eigene Gestaltungsmöglichkeiten lässt, indem die Spielschwerpunkte nach Interessen verändert werden können und die Spielregeln sich variieren lassen. Die Spielleitung und die Mitspieler geben der Spielrunde durch ihre Art des Umganges mit dem Spiel noch mal eine ganz eigene Prägung.
Der Spielleiter findet in dem Spiel eine langfristige Gestaltungsmöglichkeit für diese Gruppe. Die Spielgruppe sollte sich regelmäßig treffen, d. h.1-mal pro Woche sollte gespielt werden. Die Aufgabe, die der Spielleiter hat, ist nicht immer einfach. Habe ich an alles gedacht, alle Bewohner, die mitspielen wollen, eingeladen, den Raum freundlich gestaltet, genügend Platz für alle geschaffen, Getränke bereitgestellt, dies sind nur einige Fragen, die dem Spielleiter durch den Kopf gehen.
Auch sollte der Spielleiter gute Kommunikationsfähigkeiten haben, kreatives Verhalten zeigen, Interesse an den Geschichten und Lebenserinnerungen der Bewohner zeigen. Fantasie besitzen, flexibel sein, Geduld haben und vor allen sollte er mitspielen und auch von seinem Leben erzählen, wenn Fragen danach gestellt werden. Spiele sind Ausdruck von Lebensfreude für die Bewohner und vermitteln Spaß und Freude. Das Spiel sollte in der Gruppenarbeit mit den Bewohnern einen festen Platz einnehmen. Im Spiel stecken vielfältige Möglichkeiten menschlicher Begegnungen.
Weitere Quellen zu Vertellekes
Vertellekes // Aktivierung // Altenpflege
Vertellekes – das neue